Indigo - Das Erwachen
dunklen Gänge in die Nacht hinausschwirrten.
Als sie fort waren, fragte der Junge: âWas denn?â
Er sprach so leise, dass sie ihn fast nicht gehört hätte. Es gelang ihr einfach nicht, sich eine Meinung über ihn zu bilden. Im einen Moment erschreckte er sie fast zu Tode, nur um im nächsten ihr Herz mit Glühwürmchen und seinem liebevollen Umgang mit ihnen zu erwärmen. Doch als er leugnete, was er getan hatte, spürte Rayne ihr Misstrauen wieder wachsen.
Was war gerade wirklich passiert? Rayne stand immer noch unter dem Einfluss des Adrenalinkicks und war wahnsinnig dankbar, gerettet worden zu sein. Vielleicht war das der Grund dafür, dass ihr ein völlig unpassender Gedanke durch den Kopf schoss, als sie wieder zu dem Jungen hinuntersah. Er war ⦠wunderschön. Wie er da im Schatten stand und zu ihr hochguckte ⦠er spielte ihrem Herzen ganz schön übel mit. Sie versuchte, gegen ihre Reaktion anzukämpfen. So etwas passierte doch sonst nur im Kino!
Jetzt, wo die Glühwürmchen auf so mysteriöse Weise verschwunden waren, wie sie erschienen waren, traf Rayne die Realität wie ein Schlag in die Magengrube. Auf einmal kam sie sich unendlich dumm vor, und auÃerdem sah sie gerade vermutlich wirklich fürchterlich aus. Der Kapuzenpulli-Junge dagegen nicht. Wenn sie im Slang-Wörterbuch unter âgechilltâ nachschlagen würde, würde ihr garantiert sein Gesicht entgegenblicken.
AuÃerdem hatte er garantiert schon das eine oder andere Fitnessstudio von innen gesehen. Er war groà und muskulös, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. In seinen Jeans und dem Kapuzenpulli wirkte er kräftig und stark wie ein Fels in der Brandung. Er hatte dunkles Haar, das aussah, als wäre er gerade erst aufgestanden. Aber was Rayne wirklich faszinierte, waren seine Augen. Sie wollte ihn sich genauer ansehen, aber erst einmal brauchte sie Antworten.
âWas ist passiert?â, fragte sie. âIm Ernst jetzt.â
âKeine Ahnung. Bin gerade erst gekommen.â Er zuckte mit den Achseln und hob die Taschenlampe vom Boden auf. âIch dachte, du könntest mir weiterhelfen. Immerhin hast du alles aus der Vogelperspektive beobachtet.â
âOh, nein, verdammt.â Rayne schüttelte den Kopf und zeigte auf den Jungen. âIch habe dich gesehen.â
âUnd wobei genau hast du mich gesehen?â Ein seltsames, düsteres Lächeln zuckte über sein Gesicht.
Vorher war es ihr nicht aufgefallen, aber der Typ hatte einen britischen Akzent, so leicht, dass er ihr fast entgangen wäre.
âZum einen diese Glühwürmchen. Und dann warst du drauÃen, und du hattest diesen Monsterhund dabei. Der war ein Geist oder so. Man konnte durch ihn hindurchsehen.â Aus seinem Lächeln wurde ein Grinsen. Rayne wurde rot und fing an, noch mehr zu stottern. âDu hast in Flammen gestanden ⦠und d-die Flammen ⦠d-die waren blau.â
âBlaue Flammen ⦠und ein Geisterhund also?â Sein Grinsen wurde eine Spur spöttisch. âVerdammt krass ⦠oder doch eher ein bisschen verrückt? Hm, ich kann mich nicht entscheiden.â
Ohne nachzudenken, platzte Rayne heraus: âVerrücktheit liegt bei mir in der Familie. Schätze, das wird es sein.â
Der Junge im Kapuzenpulli senkte den Kopf, um sein Grinsen zu verbergen, das immer breiter wurde. âNa, dann haben wir ja was gemeinsam. Ich bin nur einen selbst gebastelten Hut aus Alufolie davon entfernt, in der Gummizelle zu landen. Ich heiÃe Gabe Stewart.â
âGabe wie Gabriel? Der Engel?â
âNicht mal ansatzweise.â Sein Grinsen gefiel ihr wirklich verdammt gut.
âIch bin Rayne ⦠Darby.â
âRain ⦠wie Regen?â
âNah dran, aber nein.â Sie buchstabierte ihren Namen. âWenn ich an Regen denke, denke ich immer auch an Schlammpfützen, nasse Socken und Schmodder auf meinen schönen Hello Kitty-Vans.â
âDanke für die Rechtschreibkorrektur und eine Eins mit Sternchen für die bildliche Darstellungâ, sagte er. âAber nichts gegen Regen, ich bin ein Riesenfan. Er ist die Musik der Natur. Hast du schon mal im Regen getanzt?â
Sie verzog das Gesicht und sagte: âIm Regen? Mit Absicht? Nein.â
âWenn du die Musik der Natur hörst und dabei einfach das tust, wonach dir gerade ist, spielen nasse Socken und Schuhe und
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