Indigo - Das Erwachen
seinen Nacken hinab. Er entkam dem Schmerz, indem er seine Gedanken einfach davonfliegen lieÃ. Er fühlte sich schwerelos, frei von dem Gefängnis seines Körpers.
âWarum habt ihr Arschlöcher ihn losgelassen?â, brüllte G.I. Joe.
âWegen denen daâ, sagte einer der Typen und zeigte in die entsprechende Richtung.
Lucas hörte das Gespräch zwischen den Männern gedämpft und sah eine verschwommene Bewegung, als G.I. Joe sich in die Richtung umblickte, in die der andere gewiesen hatte. Er musste nicht klar sehen können, um zu wissen, wer die Party gesprengt hatte. Lucas spürte das Mädchen jetzt, im Niemandsland zwischen Schmerz und Bewusstlosigkeit, so stark wie nie zuvor. Er musste das Mädchen unbedingt sehen und kämpfte gegen die Schwärze an, die seinen Geist zu durchdringen drohte. Er hob den Kopf. An den Männern vorbei, die über ihm aufragten, konnte er ihre dunkle Silhouette sehen, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien.
Sie war nicht alleine.
Sie stand auf einer Brüstungsmauer, Schulter an Schulter mit den anderen â den Stimmen, die Lucas gehört hatte. Jeder von ihnen hatte eine leuchtend blaue Aura. Sie waren wie er. Das Hintergrundrauschen ihres Geflüsters wurde lauter und schwoll zu dem Summen eines Bienenstocks an, dann stellte er eine Verbindung zu ihnen her, und die Worte wurden klarer. Ein Wort stach hervor und blieb in seinem Kopf: Zuhause , ein Wort, das lange Zeit keine Bedeutung für ihn gehabt hatte. Als er in die Gesichter der anderen sah, konnte er keinerlei Angst in ihnen entdecken. Sie starrten so finster auf G.I. Joe und seine Kumpanen herab, al s wären die Männer Eindringlinge, die in ihrem Terrain wilderten.
âVerschwindetâ, sagte der Mann. âDas hier geht euch nichts an.â
âOh, doch, das tut es. Er geht mich sogar sehr viel an.â Das Mädchen verschränkte die Arme und sah G.I. Joe kampflustig an. âEr gehört mir.â
âDu hast doch keine Ahnung, mit wem du es zu tun hastâ, drohte der Mann und zog eine Pistole aus seinem Hosenbund.
âDas könnte ich auch sagen.â Sie zuckte beim Anblick der Waffe nicht einmal mit der Wimper.
Ein langsames Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Sie sprang von der Mauer und kam näher. Die anderen folgten ihr und umringten die Männer, die in der Unterzahlwaren, immer enger. Doch mit der Waffe in der Hand behielt G.I. Joe die Kontrolle, bis das Mädchen vor die anderen trat.
âGewalt ist nicht nötigâ, sagte sie leise und beunruhigend gelassen. âSie wollen diesem Jungen nicht wehtun ⦠oder uns. Niemand muss verletzt werden.â
Auf dem Gesicht des Mannes hatte ein selbstgefälliges Grinsen gelegen, das jetzt schnell verblasste. Er starrte das Mädchen an und begann, flach und mühsam zu atmen.
âWas bist du â¦?â Als der Mann verstummte, zitterte die Pistole in seiner Hand. Das Zucken wanderte seinen Arm hoch, als wäre ein lebendes, atmendes Etwas unter seine Haut gekrochen. âHör auf damit ⦠w-was auch immer du da machst, oder ich sch-schieÃe.â
âDas kann ich leider nicht zulassen.â In einer unschuldig wirkenden Geste legte sie den Kopf schief, und die Zeit blieb stehen.
Lucas spürte den Kampf, den der Mann und das Mädchen miteinander ausfochten. Halb erwartete er, einen Schuss zu hören, doch dazu kam es nicht. Als G.I. Joe das Zittern nicht mehr kontrollieren konnte, lieà er mit einer ruckhaften Bewegung die Waffe fallen. Er hielt seine Hand, als würde sie schmerzen, und wich in plötzlicher Panik mit weit aufgerissenen Augen zurück.
Zwei blonde Jungen schoben sich vor das Mädchen und traten den Männern gegenüber. Sie waren klein und mager und glichen einander so sehr, dass Lucas dachte, er würde doppelt sehen. Der Mond fing ihre Haarfarbe ein und reflektierte sie, wodurch ein seltsames Glühen von den Zwillingen ausging. Ihre Gesichter wirkten wie engelsgleich, aber ihre Augen und ihr herausforderndes Verhalten erzählten eine ganz andere Geschichte.
Die Jungen waren ⦠besonders .
Lucas konnte den Kopf nicht mehr oben halten, denn die Kopfschmerzen wurden immer stärker. Er sank zurück auf den Boden und starrte in einen stahlgrauen Himmel, der mit verblassenden Sternen gepunktet war. Dann schloss er die Augen und lieà sich ins Dunkel fallen.
Nicht einmal das
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