Indigo - Das Erwachen
mit blutigem Wasser.
âIch könnte frisches Wasser brauchenâ, sagte sie.
âWird er sterben?â
âKeine Ahnung.â Sie strich dem Jungen das Haar aus der Stirn. âIch kann ihn nicht mehr spüren. Ich weià nicht, was das bedeutet, aber es macht mir Angst.â
âDu wirst ihn schon wieder hinkriegen. Darin bist du gut.â
âIch muss in den Garten. Nachdenkenâ, murmelte sie. âEr braucht das Beste, was ich habe.â
Rafe hatte keine Ahnung, woher Kendra die Dinge wusste, die sie wusste. Sie kannte sich aus mit Pflanzen und Heilung, und die Leistungen, zu denen ihr Verstand in der Lage war, machte sie selbst in ihrer Gruppe zu etwas Besonderem.
âDie Believers haben ihre Jäger geschickt. Die sind wie tollwütige Pitbulls auf zwei Beinen!â, sagte er. âDiesmal haben sie uns eine Waffe vor die Nase gehalten. Diese Typen sind wahnsinnig.â
âIch hatte alles unter Kontrolle. Das hast du doch gesehen.â
âJa, hab ich, und es hat mich echt fertiggemacht. Im Ernst, Kendra, beim nächsten Mal hast du vielleicht nicht alles unter Kontrolle.â
Rafe hatte gar nicht vorgehabt, die Diskussion mit ihr wieder aufflammen zu lassen, aber die Worte waren aus seinem Mund, ehe er sie aufhalten konnte. Kendra drängte immer vorwärts. So war sie nun mal, aber je mehr Risiken sie einging, desto mehrbedrohte sie das, was sie bereits erreicht hatten. Rafe und Benny hatten in den Tunneln ein Zuhause gefunden, aber er spürte die Uhr ticken. Bald würde es zu einer Explosion kommen, die er nicht aufhalten konnte â nicht ohne die Hilfe von Kendra, dem Mädchen, das die Zündschnur überhaupt erst angezündet hatte. Und zwar mit einem gottverdammten Flammenwerfer.
âJedes Mal, wenn die Believers einen von uns mitnehmen, solltest du genauso wütend werden wie ichâ, stieà sie hervor. âWir haben ein Recht darauf, zu sein, was wir sind. Wir haben ein Recht darauf, ihre Welt infrage zu stellen. Ich will einfach nur gehört werden. Genauso fangen Bewegungen an, Raphael. Willst du denn nicht Teil von etwas sein, das gröÃer ist als wir?â
âDoch, klar, schätze schon.â
Rafe konnte einfach nicht mit ihr streiten. Wer wusste schon, was passiert wäre, wenn Kendra ihn und Benny nicht gefunden hätte. Dank der Freaks von dieser Kirche gab es für Menschen wie sie schlimmere Orte als Pflegefamilien und den Jugendknast. Kendra fühlte sich berufen, die Welt zu retten, Kind für Kind. So hatte sie Benny und ihn gefunden und die anderen. Sie gab ihm das Gefühl, jemand zu sein, mehr als nur ein Stück Müll. Sie hatte ihnen eine Familie geschenkt und sie behandelt, als wären sie wichtig.
Kendra war erst siebzehn, ein Jahr jünger als er. Manchmal fragte er sich, wie sie es hinbekam, gleichzeitig so gescheit und so verdammt stur zu sein.
âWir haben Glück gehabt. Aber wenn du ihnen die Kinder weiter direkt vor der Nase wegschnappst, werden sie sich auf uns konzentrieren. Das ist alles, was ich sagen willâ, warnte er sie. âNach allem, was du sagst, haben sie Geld und mächtige Leute auf ihrer Seite. Macht dir das denn überhaupt keine Angst? Nicht mal ein bisschen?â
Als sie ihm nicht antwortete und ihn auch nicht ansah, senkte Rafe die Stimme. Er streckte die Hand aus, um ihre Schulter zu berühren, hielt dann aber inne.
âDank dir werden wir stärkerâ, sagte er. âAber ich bin mir nicht sicher, dass wir für alles gewappnet sind, was die auf Lager haben. Wie lange noch, bis du zu ihrer Zielscheibe wirst, Kendra?â
Rafe sagte ihr nicht, dass ihn das umbringen würde. Als sie nichts erwiderte, tat er, worum sie ihn gebeten hatte.
âIch bringe dir frisches Wasser.â
Rafe brachte den Wassereimer zurück und stellte ihn neben Kendras behelfsmäÃigem Bett ab, zusammen mit einem Stapel frischer Lappen. Er sagte nichts, und Kendra war dankbar dafür. Er warf ihr nur einen besorgten Blick zu, dann lieà er sie alleine mit dem Neuen, dem Hübschen â dem Besonderen .
Sie tränkte einen frischen Lappen mit Wasser und wischte dem Jungen Gesicht und Brust ab. Durch ihren Kopf ratterten Kombinationen von Heilkräutern. Sie verwarf sie so schnell, wie sie ihr einfielen. Herumraten konnte sie sich nicht leisten. Nicht mit diesem Jungen. Jede Prellung, jede Wunde an seinem Körper tat auch ihr weh. Rafe
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