Indigo - Das Erwachen
blätterte zu der Zeichnung von Darby und schob Alexander Reese den Skizzenblock hin. âMöglicherweise zeichnet er, was er in Visionen sieht. Das Gesicht von Lucas Darby auf dieser Zeichnung habe ich erkannt, ohne die Tracker-Software benutzen zu müssen. Finden Sie es nicht aufregend, was für Konsequenzen das haben könnte? Wir könnten diesen Jungen benutzen, um sie aufzuspüren.â
Alexander starrte die Zeichnung in eisigem Schweigen lange an, bis er endlich wieder etwas sagte.
âIch will den Darby-Jungen.â Er schob den Skizzenblock und das Bild von dem Jungen im Kapuzenpullover weg. âSie haben Lucas getestet. Und Sie haben mir erklärt, dass er ein sicherer Kandidat ist. Diese Junge hier könnte ein Niemand sein, der Freund der Schwester beispielsweise. Sie wissen doch noch nicht einmal, ob diese Zeichnungen überhaupt von ihm angefertigt wurden. Ich will nicht, dass wir eine andere Zielperson verfolgen, bis wir Darby haben. Habe ich mich klar ausgedrückt?â
âIch verstehe Ihre Beunruhigung, aber ich dachte, wir könnten auch diesen Jungen in unsere Gewalt bringen.â
âEs ist nicht Ihre Aufgabe, unsere Strategie und unsere Ressourcen zu überdenken, Fiona. Beides fällt in meinen Verantwortungsbereich.â Er fuhr in seinem Stuhl herum, um sie anzusehen. Sie musste zugeben, dass der Mann sie einschüchterte, wenn er sich so verhielt.
âIch weià Ihren Enthusiasmus zu schätzenâ, fuhr er fort. âAber ich werde diesem neuen Jungen erst dann meine Zeit widmen, wenn sich herausstellen sollte, dass er tatsächlich eine lohnende Zielperson abgibt. Sie haben einen Auftrag, erfüllen Sie ihn. Ich will Lucas Darby.â
Fiona biss die Zähne zusammen und stand auf. Als sie nach dem Rucksack griff, hielt Alexander sie auf.
âLassen Sie ihn hierâ, wies er sie an. âLassen Sie alles hier. Ich will nicht, dass Sie sich davon ablenken lassen.â
Fiona tat wie geheiÃen. Sie verlieà das Büro ohne ein weiteres Wort. Aber wenn Alexander Reese ihr wirklich so viel Vertrauen entgegenbrachte, wie er behauptete, dann musste sie in Bezug auf diesen neuen Jungen ihren Instinkten folgen. Sie hatte Alexander um Erlaubnis gebeten, die Spur des Jungen verfolgen zu dürfen, und war gescheitert. Jetzt blieb ihr nur noch, Alexander um Verzeihung zu bitten, nachdem sie getan hatte, was sie tun musste .
Er hatte ihr keine andere Wahl gelassen.
Bristol Mountains
Obwohl Rayne aus einer ganzen Reihe von eleganten Designerroben wählen konnte, entschied sie sich für das einfachste Outfit im Schrank, weil die Sachen nicht ihr gehörten. Mia hätte sicher kein Problem damit gehabt, sich aufzudonnern, aber Rayne lag das einfach nicht. Sie hatte gebadet und sich die Haare gewaschen und geföhnt und dabei all das teure Zeug im Bad benutzt, aber die Klamotten waren zu viel des Guten.
In einer dunklen Stoffhose, die wie maÃgeschneidert passte, und einer babyblauen, langärmligen Bluse schlenderte sie den Flur in Richtung Gabriels Schlafzimmer entlang. Nachdem sie leise geklopft hatte, legte sie das Ohr an die Tür, um zu lauschen. Keine Antwort.
âGabriel?â, versuchte sie es flüsternd erneut.
Als sie nichts hörte, drehte sie den Türknauf und schlüpfte in das Zimmer, sah sich vorher aber verstohlen um, ob sie beobachtet wurde. Gabriel lag noch im Bett und schlief tief und fest.
Unsicher trat sie näher, bis sie nah genug bei ihm war, um ihn atmen zu sehen. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Seine Brust war bloÃ, und Rayne fiel auf, dass er unter der Decke vielleicht nackt war. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Am besten, sie machte einfach kehrt und verlieà den Raum â was bei diesem Anblick gar nicht so leicht war.
Trotz seiner Begabungen und seiner Stärke wirkte Gabriel auf sie auch verletzlich. Vielleicht war dieser Eindruck dadurch ausgelöst und verstärkt worden, dass sie sichschuldig fühlte, weil sie ihren Bruder nicht richtig beschützen konnte. Aber sie war sich sicher, dass die Gefühle, die sie mittlerweile für Gabriel hegte â wie auch immer man sie bezeichnen wollte â, echt waren und nur mit ihm zu tun hatten.
Das Zuhause seiner Kindheit hatte eine weiche Seite an ihm zum Vorschein gebracht, die Rayne niemals zu Gesicht bekommen hätte, wenn Gabriel es nicht zugelassen hätte. Als sie ihm im
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