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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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den Knoten der Vorhangkordel, auf den dunkelblau-roten Plüschkissen auf dem Bett …
    Er ging zurück ins Vorzimmer und holte seine Schuhe. An einer der Schuhsohlen klebte noch ein ordentlicher Patzen Hundescheiße. Robert atmete durch den Mund. Er brachte den Schuh in die Küche und legte ihn dort auf den Tisch, auf eine Zeitung. Dann suchte er nach Strohhalmen oder etwas Ähnlichem. Schließlich fand er japanische Essstäbchen, nicht aus Holz, sondern aus schwarzem, gerilltem Plastik. Er nahm sie in die Hand und prüfte die Spitze. Er hätte jetzt gerne einen Pinsel gehabt. Oder eine Spachtel. Er hatte schon Bob-Ross-Sendungen gesehen, in denen der Meister eine ganze Berglandschaft allein mit der Spachtel gemalt hatte. People will believe it’s magic. So from all of us here: Happy painting. And God bless my friend.
    In einer Küchenschublade fand er einen langhaarigen Pinsel, mit dem Willi wahrscheinlich Soße oder Ei auf einem Braten verstrich.
    Mit den beiden Utensilien ausgerüstet, machte er sich daran, eine winzig kleine Portion Hundekot von der Sohle abzukratzen und auf ihre Konsistenz zu prüfen. Der Kot war noch nicht hartgetrocknet, blieb noch kleben. Robert bestrich die Spitze des Essstäbchens mit einer Probe der ekelhaften Substanz und ging aus der Küche. Entsetzt blickten ihm die Möbel und Gegenstände entgegen: Was zum Teufel haben Sie damit vor?
    Als Erstes kamen die Türklinken dran. Die Unterseiten. Es waren nicht mehr als homöopathische Dosen von Hundekot, die Willi – und wer immer sich sonst noch bei ihm aufhalten und mit ihm durch die Zimmer turteln mochte – so aufnehmen würde. Midi-Chlorianer sind eine mikroskopisch kleine Lebensform, die in deinem Darm herumschwimmt, kleiner Anakin, und mit dir in Symbiose lebt.
    Als Nächstes ging er ins Badezimmer und verschmierte etwas Hundekot auf dem Rand des Zahnputzbechers, eine so feine Spur, dass sie kaum sichtbar war. Weshalb muss ich mir denn jeden Tag die Zähne putzen, Batman? – Weißt du, Robin, die korrekte Mundhygiene ist unerlässlich im Umgang mit unseren Mitmenschen. Als er daran roch, stellte er fest, dass man sie auch fast nicht erschnuppern konnte, wenn man es nicht erwartete und darauf achtgab. Er ging zurück in die Küche und lud den Pinsel auf. Dann ließ er Wasser ins Küchenbecken laufen und hielt den Pinsel für den Bruchteil einer Sekunde darunter, nicht einmal zur Gänze. Er gab noch ein bisschen Scheiße dazu. Inzwischen konnte er wieder durch die Nase atmen. Er zog ein paar blassbraune Schlieren über das Zeitungspapier, so lange, bis die Malspur fast durchsichtig wurde.
    Dann ging er ins Schlafzimmer, das nichtsahnend im Dämmerlicht dalag. Zugezogene Vorhänge, ein Raum mit geschlossenen Augen. Er zog den Pinsel über die Unterseite der Polster auf dem Doppelbett – die beinahe klare Restfeuchtigkeit wurde von demGewebe des Polsterüberzugs aufgesogen und, soweit er das erkennen konnte, spurlos absorbiert.
    Two hairs and some air, nannte das der Meister Bob Ross immer.
    Robert ging zurück ins Wohnzimmer, zu den Büchern. Interviews mit Sterbenden. Der Pinsel machte seine beruhigenden Geräusche auf dem Buchrücken, dann ging er zu den anderen Büchern über. Vielleicht würde er Willis Asthma dadurch heilen, wer weiß.
    Plötzlich klopfte es. Beinahe fiel Robert der Pinsel aus der Hand. Er erstarrte, lauschte.
    Aber das Klopfen war nur in den Wänden. Gedämpft, sich wiederholend. Ein Nachbar hängte vermutlich ein Bild auf oder befestigte ein Regal an der Wand.
    Robert holte ein letztes Mal Nachschub. Der Pinsel bekam diesmal eine satte, sichtbare Ladung. Und er bohrte das Essstäbchen tiefer in die Sohle seines Schuhs, dort, wo unter der hartgetretenen Schicht noch etwas weichere, hellere Masse wartete. Er betupfte damit die Fenstergriffe und hätte beinahe auch die Klinke der Wohnungstür bestrichen, als ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, dass er sie heute noch selbst anfassen musste. Also verpasste er den letzten, schon wieder etwas blasseren Strich der Maus von Willis Computer, die sowieso eine leicht bräunliche Farbe hatte.
    Zufrieden machte sich Robert auf den Heimweg. Zeitung, Essstäbchen und Pinsel hatte er mitgenommen und in einiger Entfernung von Willis Wohnung in einen Mülleimer geworfen. Während er ging, prüfte er den Geruch seiner Finger. Sie rochen ein wenig verschwitzt, aber sonst war alles in Ordnung.
    Wie um ihm zuzujubeln, zeigte ihm ein Geschäft für Kinderspielzeug, an dem

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