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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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das ist auch besser so. Die sollen ruhig wegbleiben.
    – Sagen Sie, Frau Stennitzer, habe ich Sie vielleicht mit irgendetwas verärgert?, fragte ich vorsichtig. Das, was Sie sagen, klingt nämlich ein wenig so, als – 
    – Nein, nein, nein, rief Frau Stennitzer, und man spürte, dass sich irgendwo auf der Welt eine Faust ballte. Ich wollte nichts in dieser Richtung ... Aber die Situation, die ... die Ereignisse haben sich einfach überstürzt seither. Dass der Umzug notwendig geworden ist, nach Ihrem Artikel, das war ja vorauszusehen, und natürlich habe ich mir das alles vorher gut überlegt, sonst hätte ich Sie ja nicht in mein Leben gelassen, Sie verstehen.
    Sie lachte. Es war ein tiefes, kehliges Lachen, dem jede Spur von Erleichterung fehlte.
    – Tut mir leid, falls meine Artikel negative Folgen gehabt haben, sagte ich. Was ist denn genau passiert? Haben die Leute im Ort Sie nicht in Ruhe gelassen – 
    – Nein, nein, Sie missverstehen mich, ach, ich hab mich wirklich falsch ausgedrückt. Es ist nur so, dass sich die Ereignisse gewissermaßen schon seit Längerem überstürzen, und das war einfach zu viel für Christoph. Er meint es aber nicht so.
    – Was meint er nicht so?
    – Na ja, ich wollte Sie damit nicht belästigen.
    – Sie belästigen mich nicht, Frau Stennitzer. Bitte erzählen Sie. Was ist mit Christoph?
    – Na ja, sagte sie und nahm einen großen, knackenden Biss von einem Apfel, so nahe am Hörer, dass ich erst den Widerstand und dann das Gefühl platzender Apfelhaut in meinem eigenen Kiefer spüren konnte. Na ja, seine Freunde sind seit dem Schwimmbadbesuch nicht mehr gekommen, und das hat ihn durcheinandergebracht. Es ist natürlich auchdie Phase im Leben, wo alles irgendwie finster aussieht. Und da gibt es natürlich immer viele Faktoren, die man bedenken muss.
    – Zum Beispiel ...?
    – Ach, na ja, das Grenzen-Austesten, zum Beispiel. Das wird in der Phase natürlich ganz groß geschrieben. Bittergroß.
    Sie nahm einen weiteren Biss vom Apfel, und ich hatte eine plötzliche Vision, in der mir der Apfel rot vor Augen stand. Ein roter Ballon knapp vor Frau Stennitzers Gesicht. Die Falten um ihren Mund, die sich straffen, wenn sie zubeißt.
    – Und welche Probleme hat er denn nun genau?
    – Na ja, sagte sie und holte tief Luft. Es ist bestimmt nicht Ihre Schuld. Ihr Besuch, damals. Und die beiden Artikel. Nicht, dass Sie das denken.
    – Aber was – 
    – Kinder sagen viel und tun natürlich auch sehr viele Dinge, die sie lieber nicht tun sollten. In dieser Hinsicht sind sie wie ... wie ...
    Ihr schien kein passender Vergleich einzufallen. Stattdessen folgte ein weiterer, etwas leiserer Apfelbiss.
    – Das klingt aber sehr besorgniserregend, sagte ich ins Headset. Geht es ihm denn nicht gut?
    – Verheilt alles. Wie gesagt, Grenzen austesten. Wird ganz groß geschrieben in der Phase. Und man darf natürlich auch all die anderen Faktoren nicht außer Acht lassen.
    – Ja, da haben Sie wohl recht. Aber ich weiß noch immer nicht – 
    – Ein Mann von der APUIP war da und hat ihn sich angeschaut. Der Herr Baumherr hat ihn uns empfohlen.
    – APUIP. Das ist doch diese Gleichbehandlungsorganisation?
    – Na ja, so werden sie manchmal dargestellt. Aber die machen eigentlich mehr gemeinnützige Dinge, wie ... Sie kennen den Herrn Baumherr gar nicht?
    – Persönlich nicht, nein.
    – Er ist aus Wien, sagte Frau Stennitzer apfelkauend.
    Und er kennt sich wirklich sehr gut aus mit solchen Fällen. Er hat in der Vergangenheit schon einige Relokationen betreut.
    Einer Voodoopuppe mit meinen Gesichtszügen wurde irgendwo, in einem entfernten Land, eine Nadel ins Auge gestochen.
    – Einen Moment, Frau Stennitzer, er hat was?
    Sie seufzte.
    – Dem Christoph geht es wirklich schlecht. Er ist ... ich meine, er hat versucht, sich ... Aahhh ... Das ist alles sehr schwierig, wissen Sie? Ich verlange ja gar nicht, dass alles ein glückliches Ende nimmt für mich, ich meine, das verlange ich ja nicht von der Welt. Nicht nach allem, was ich erlebt habe. Aber zumindest fair sollte es schon ausgehen ... Ja, fair ...
    – Hat Christoph versucht, sich etwas anzutun?
    – Wie gesagt, Herr Setz, Sie sollten sich keine Gedanken machen deswegen. Ich wollte Sie damit gar nicht beläs-tigen. Ich werde dann wieder ...
    Sie nahm einen lauten, krachenden Biss vom Apfel, saugte den überlaufenden Saft ein, entschuldigte sich leise und legte auf.
    Ein kleiner

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