Indigo (German Edition)
meinen Kopf auf dem Polster hin und her und bemerkte, dass er klatschnass von Schweiß war, also setzte ich mich auf und drehte ihn um. Aber als ich den Polster hochhob, erkannte ich, dass ich schon die ganze Nacht, ohne es zu wissen, auf weichem Moorboden gelegen hatte, nur ein dünnes Leintuch und der Polster trennten mich von Schlamm und schwarzem, fauligem Wasser.
Davon hatte ich Julia nichts erzählt. Die seltsame Vision war nicht wiedergekommen, und ich wollte sie nicht beunruhigen. Sie war froh darüber, dass ich inzwischen in einer normalen Schule arbeitete. Ich hatte nur eine halbe Lehrverpflichtung und musste nicht so früh aufstehen wie damals, als ich im Helianau-Institut beschäftigt gewesen war.
Die Faktoren, die man bedenken muss
Bald schon erhielt ich einen weiteren Anruf von Gudrun Stennitzer.
– Hey, sagte sie.
– Oh, guten Tag, Frau Stennitzer, sagte ich. Wie geht es Ihnen?
– Huh, ja, wo anfangen, wie geht es mir, ah, ja, wie geht es mir eigentlich? Ah ...
Sie wirkte außer Atem.
– Wie geht es Christoph? Hat er sich erholt von ... ?
Ein Knopf am Telefon wurde gedrückt. Tüüt.
– Ich wollte Ihnen bei unserem letzten Gespräch eigentlich schon davon erzählen, sagte Frau Stennitzer. Ihnen erzählen von den Veränderungen, die sich da ... so ... ereignet haben, nacheinander, und alles ... ah ja, was war da noch ...
Man hörte, wie Papier relativ nahe am Hörer zusammengeknüllt wurde.
– Veränderungen?
– Ach ja, Sie wissen ja bestimmt, wie das so ist. Panta rhei, alles verändert sich. Ist immer im Wandel. Nichts bleibt so, wie man es einmal festgehalten hat. Christoph ist ... Also, er hat den Ausflug relativ gut verkraftet. Die Matratze ist natürlich auch längst trocken, inzwischen. Er liest jetzt wieder, Gott sei Dank. Und ... ja, also, er erinnert sich natürlich noch gut an Sie. An Ihren Besuch.
– Freut mich.
– Na ja, es geht ihm den Umständen ... also, eigentlich nein, natürlich nicht, wie sollte es ihm gehen. Wissen Sie, ich wollte Sie unbedingt noch einmal anrufen, quasi einen Kontakt aufbauen, weil ich mir sonst sehr allein gelassen vorkommen würde, wissen Sie?
– Inwiefern allein gelassen?
Ein heftiges, ungeduldiges Ausatmen von Frau Stennitzer. Dann sagte sie:
– Das Schlimme ist, dass man immer erst hinterher schlau ist. Ich nehme an, das kennen Sie. Dieses Gefühl, dass man hinterher schlauer ist als vorher. Und diese beiden Arti-kel damals und alles, das war schon, also ... ich bin jedenfalls schlauer geworden, das wollte ich Ihnen auf jeden Fall sagen. Per Telefon. Wenn wir uns schon nicht persönlich gegenüberstehen.
– Hat Ihnen der Artikel nicht gefallen?, fragte ich. Ich habe Ihnen doch damals beide Teile geschickt. Gut, er ist hinterher ziemlich gekürzt worden, und die Bilder wurden ergänzt ...
– Ja, jajaja, das alles, ja, sicher, das weiß ich natürlich ... sicher ... Ich wollte nur, also damit da keine Missverständnisse entstehen, ich wollte nur ... Christoph hat das alles nicht gutgetan, wissen Sie? Er ist, ich meine ... Er war schon vorher eher in sich gekehrt, aber der Artikel und alles, das war, also ... und dann das Schwimmbad, das war eher symptomatisch, wissen Sie? Ich meine, es war zwar nur ein Hallenbad, aber trotzdem.
Ein weiteres heftiges Ausatmen. Ich setzte mich aufs Bett.
– Warten Sie, ich wechsle nur zum Headset über, dann können wir besser reden.
– Headset, nein, nicht nötig, rief Frau Stennitzer. Ich wollte sowieso –
Ich tat so, als hörte ich sie nicht mehr, ließ mir Zeit mit dem Einstöpseln und dem Finden des richtigen Winkels zwischen Mikrofon und Lippen.
– Hallo?, sagte ich dann. Da bin ich wieder. So können wir besser reden.
– Ja, sagte Frau Stennitzer mit zerknitterter Stimme. Ich wollte Sie nicht lang belästigen. Christoph hat den Umzug nicht gut verkraftet, und dann noch Ihr Artikel und dass jetzt auch noch seine Kumpels ausbleiben – pah, diese dreckigen Skinheads nennt er auch noch seine Kumpel, lächerlich ...
– Warten Sie, sagte ich. Ich hab das nicht richtig verstanden. Sie sind umgezogen?
– Ja, können Sie sich nicht mehr erinnern? Als Sie bei uns waren? Die Kartons und die Garage und alles, na ja, sicher, Sie waren ja nur an zwei Tagen bei uns, da sieht man nur, was man sehen muss, gewissermaßen. Für die Arbeit, haha.
– Das ist mir wirklich nicht aufgefallen. Und Christophs Freunde kommen nicht mehr, sagen Sie?
– Na,
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