Indigosommer
noch einmal. »Es ist das erste Mal in diesem Jahr, dass so etwas passiert. Ich werde mich bei den anderen Campern umhorchen. Vielleicht hat ja einer von ihnen etwas gehört oder gesehen.«
Alec und Josh blickten missmutig drein, aber ich hatte das Gefühl, dass der Polizist es ernst meinte und wirklich bedauerte, was passiert war. Chief Howe versprach, sich zu melden, wenn er etwas herausgefunden hatte. Wir verabschiedeten uns von ihm und fuhren zurück zum Parkplatz.
Wie von Anfang an geplant, blieben Mark und Janice im Camp zurück und wir anderen fuhren nach Forks zum Einkaufen. Das Holzfällerstädtchen war ein gesichtsloser Ort am Highway 101, der laut Alec die gesamte Küste entlang bis nach Los Angeles führte. Identisch aussehende Holzhäuser, etliche Kirchen, eine Werbetafel für ein Holzmuseum. An der Mainstreet zwei Motels, vier Tankstellen, ein Tacobells, ein chinesisches Restaurant und ein großer Thriftway-Supermarkt, in dem wir uns mit Lebensmitteln eindeckten: abgepacktes Brot, Chips, Tomaten, ein paar Äpfel und Trauben, eine Melone, Getränke, Pulverkaffee, Dosensuppen, eingeschweißte Speckstreifen, leuchtend rote Schweinesteaks und zwei große Tüten Marshmallows. Und Eisbeutel für die Kühlboxen natürlich.
Ich erstand ein blaues »I WAS BITTEN IN FORKS«-T-Shirt und Laura kaufte sich dasselbe in Rot. Wir kicherten, als wir uns durch die T-Shirts wühlten, und Brandee verdrehte ihre Augen über unser kindisches Benehmen. Es störte mich nicht. Die Tatsache, dass Alec und die anderen mich vorhin beim Abstimmen ernst genommen hatten, stärkte mein Selbstbewusst sein. Brandee war die Einzige in der Clique, die mich nicht akzeptierte, damit konnte ich leben.
Nachdem wir unsere Einkäufe im Van verstaut hatten, suchte Alec entgegen Marks Rat nach einer Autowerkstatt und fragte dort nach einer Scheibe für seinen Ford-Kombi. Sie hatten eine da und waren bereit, sie gleich einzusetzen, was allerdings eine Wartezeit von fast zwei Stunden bedeutete.
Nach kurzer Überlegung ließ Alec seinen Wagen in der Werkstatt. Wir gingen alle zusammen zum Chinesen und aßen etwas. Danach trennten wir uns. Laura und Josh sollten mit den Lebensmitteln zurück nach La Push fahren. Als ich keine Anstalten machte, zu ihnen in den Van zu steigen, sah Brandee mich genervt an: »Was ist mit dir? Willst du nicht mit zurück?«
»Ich würde gerne in die Bibliothek gehen.« Ich zeigte auf ein gelbes Backsteingebäude an der Hauptstraße, auf dem groß Gemeindebibliothek Forks stand.
»Was willst du denn da?«, fragte Alec mit Falten auf der Stirn.
»Meine E-Mails checken«, antwortete ich. »Wenn das Auto fertig ist, holt mich einfach ab.«
Alec nickte. »Okay, Midget. Dann bis später.« Er nahm Brandees Hand und zog sie hinter sich her. Josh und Laura fuhren los.
Ich betrat die Bibliothek und fragte die Frau hinter dem Tresen nach Büchern über die Quileute-Indianer.
»Brauchst du die für die Schule?«, fragte sie mich mit einem freundlichen Lächeln und ich nickte. Offensichtlich wurde nicht oft nach Literatur über die Quileute gefragt. Während die Bibliothekarin auf die Suche ging, schickte sie mich in einen kleinen, stickigen Raum, in dem drei Computer standen. Zwei Jungen in meinem Alter saßen an einem der Tische und spielten Schiffe versenken.
Ich setzte mich an einen der Computer und checkte meine Mails. Ich hatte Post von meinen Eltern, von Sanne und sogar eine Mail von Sebastian, über die ich mich jedoch ärgerte. Der Blödmann schrieb so herablassend, dass ich plötzlich nicht mehr verstand, was ich einmal an ihm gefunden hatte. Gelegentlich, das stand da wortwörtlich, würde er mich vermissen. Aber seinen Entschluss bereue er nicht.
Na, herzlichen Glückwunsch, dachte ich.
Ich schrieb ihm zurück, dass ich mit einer Truppe von coolen Leuten zum Surfen in einem Indianerreservat an der Nordwestküste war und dass auch ich inzwischen froh war über die Trennung, da ich mich nun frei fühlen würde und das Leben hier in vollen Zügen genießen könnte.
Sanne schrieb ich, dass ich die Mail direkt aus Forks schicken würde, der Hauptstadt der Vampire. Und dass ich die nächsten drei Wochen in La Push am Strand verbringen würde, wo die Werwölfe hausten. Dass ich auch schon einen gesehen hatte, allerdings einen mit Fell. Mit fliegenden Fingern schrieb ich ihr von Laura, Brandee, Janice, Josh, Alec und Mark. Von den Quileute und den beschädigten Autos. Und dass ich am Nachmittag versuchen wollte,
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