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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nach links aus der Strömung heraustrei ben. Die Robbe umkreist sie beide, sie stößt seltsame Töne aus, die irgendwie zufrieden klingen. Conrad paddelt zum Ufer und zieht den Bewusstlosen auf dem kleinen Sandstrand ins Trockene. Völlig schlaff hängt der schmächtige Junge in seinen Armen. »Zu spät«, flüstert Conrad. Nichts fühlend, nichts denkend, nur dieser Schmerz in der Brust, als hätte er Glassplitter eingeatmet.
    Zweimal presst er seinen linken Handballen mit Unterstützung der Rechten kräftig auf die Brust des Jungen. Wasser läuft ihm aus Nase und Mund, aber er rührt sich nicht.
    »Atme«, flüstert Conrad. »Komm schon! Atme, verdammt noch mal.«
    Dieser verdammte Anzug, schießt es ihm durch den Kopf, der Junge kann gar nicht atmen. Verwundert stellt Conrad fest, dass der Reißverschluss vorne ist. Mit klammen Fingern sucht er nach dem kleinen Ring. Endlich hat er das winzige Ding zwischen Daumen und Zeigefinger. Er zieht den Reißverschluss bis zum Nabel herunter, zerrt das nasse Gewebe auseinander und keucht auf. Verwirrt starrt Conrad auf zwei weiß schimmernde Brüste. Verdammt, ein Mädchen.
    Ihre Nacktheit schockiert ihn. Bleich und verletzlich sieht sie aus. Er beginnt zu zittern. Konzentrier dich, du weißt doch, was du zu tun hast.
    Conrad gibt sich einen Ruck. Er legt seinen Mund auf die blauen Lippen des Mädchens, hält ihr die Nase zu und bläst seinen warmen Atem in ihre Lungen. Nur zweimal, dann ist sie da. Sie hustet und schlägt die Augen auf.
    Conrad weicht zurück. Er weiß nicht, was sie sieht mit ihren Meeresaugen, deren zweifarbiger Blick haltlos in sein Inneres zu dringen scheint. Nur eins weiß er auf Anhieb: Diesem Blick kann er nicht entkommen.
    Jemand blies heiße Luft in mich, ein merkwürdiges Gefühl. Beinahe im selben Augenblick begriff ich, dass ich nun wieder selber atmen musste. Gleichzeitig rebellierten meine Eingeweide und ich übergab mich in den Sand. Ich hustete und würgte einen Schwall Salzwasser heraus. Es war überall, in meinen Augen, der Nase, der Kehle. Noch eine ganze Weile hustete ich das salzige Wasser aus meinen Lungen und der Luftröhre.
    Schließlich stemmte ich mich auf meine Ellenbogen und setzte mich auf, immer noch hustend und schniefend. Das Blut in meinen Schläfen schäumte wie Gischt. Mein Atem war ein nasses Gurgeln und ich hatte ein wildes Sausen in den Ohren. Ich strich mir das nasse Haar aus der Stirn und rieb meine brennenden Augen. Sie fühlten sich sandig an.
    Als ich wieder etwas sehen konnte, traf mich der schwarze, wütende Blick meines Retters. Und noch ehe ich begriff, wer mich aus dem Wasser geholt hatte, wurde mir voller Entsetzen klar, dass ich halb nackt war. Mein Bikinioberteil lag bei meinen Sachen am Strand. Ich hatte es nicht für nötig gehalten, es unter dem Wetsuit anzuziehen.
    Mit rasendem Herzen wurde ich mir der Nähe des fremden Jungen bewusst. Zitternd vor Kälte und Angst versuchte ich, den Surfanzug vor meiner Brust zusammenzuhalten, aber meine Finger waren taub und meine Versuche vergeblich. Ein kläglicher Laut kam aus meiner Kehle und mein Magen rebellierte erneut. Dazu kam dieser stechende Schmerz in der Brust, der mich immer noch am Atmen hinderte.
    »Keine Panik«, sagte mein zorniger Retter voller Missbilligung, »du bist nicht das erste Mädchen, das ich nackt sehe. Und außerdem: Viel zu sehen gibt es eh nicht.« Seine Stimme war ungewöhnlich tief für sein Alter, aber das täuschte mich kaum darüber hinweg, was er Gemeines gesagt hatte.
    Verdammter Macho . Ich drehte ihm den Rücken zu, das war einfach zu viel. Mein Inneres fühlte sich wund an und mein Herz auch. Dieser Indianerjunge hatte etwas Finsteres, etwas Unheimliches an sich. Keine Ahnung, wie groß seine Wut auf uns Surfer war. Er und ich, wir waren ganz allein in einer winzigen Bucht und er konnte alles mit mir tun. Die Wellen donnerten jetzt mit solch ohrenbetäubender Wucht gegen die aus dem Wasser ragenden Felsnadeln, dass niemand meine Hilfe-schreie hören würde, wenn er...
    Du bist völlig durchgedreht, Smilla. Er hat dir gerade das Leben gerettet. Ohne ihn wärst du jetzt Fischfutter.
    Die Situation war schrecklich und ich wünschte, ich wäre unsichtbar – oder einfach an einem anderen Ort. Ich wollte es nicht, aber ich begann zu schluchzen und die Tränen strömten haltlos aus mir heraus.
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Heulst du, weil du beinahe ertrunken wärst?«, fragte er ungerührt. »Oder weil ich etwas gesehen

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