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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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meinen Mund, es würde nichts bringen.
    Gegen zehn kamen die Wellen. Und sobald die Clique mit den Surfbrettern im Wasser war, schien alles andere vergessen zu sein. Ich übte weiter mit dem Boogie und schaffte es sogar einmal, auf die Knie zu kommen. Aber ich war unkonzentriert und mit meinen Gedanken beim gestrigen Abend. Als mich eine Welle vom Brett holte, war Josh da und half mir. Er sagte nichts, aber er grinste mich versöhnlich an und ich merkte, wie ich erleichtert aufatmete. Scheinbar hatte er nicht vor, mir noch länger böse zu sein.
    Am Nachmittag lief ich durch den Ferienpark zur Rezeption, denn ich wollte noch ein paar von den schönen Postkarten kaufen, die es nur hier gab. Wieder draußen bog ich um die Ecke und da stand das Mädchen mit dem Mondgesicht neben dem Getränkeautomaten. Sie trug einen hellblauen Kittel, auf den das Logo des »Ocean Park Resort« gestickt war, und rauchte.
    »Hi«, sagte ich, ohne große Hoffnung, dass sie darauf reagieren würde.
    Doch die Indianerin lächelte und entblößte eine Reihe schiefer aber strahlend weißer Zähne. »Hi«, sagte sie. »Ich hoffe, euer Freund hat es überlebt.«
    Perplex blieb ich stehen. Sie hatte gerade mit mir geredet! Sie hatte mir tatsächlich geantwortet. »Josh ist okay«, sagte ich, »er stand heute schon wieder auf seinem Brett.«
    Sie nickte und zog an ihrer Zigarette, dabei wurden ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Milo hat ’ne kurze Lunte, was weiße Großklappen angeht. Seine Mutter ist mit ’nem weißen Typen abgehauen, als er fünf war. Seitdem hat er so ’ne Art Trauma.«
    Ich nickte verständnisvoll.
    »Ich bin übrigens Sassy.«
    »Smilla«, sagte ich.
    »Ich muss jetzt wieder rein, sonst kriegt meine Chefin einen Rappel.«
    Bevor sie verschwinden konnte, stellte ich ihr noch eine Frage. »Sassy, kannst du mir sagen, wo Conrad wohnt?« Sie sah mich verwundert an und ich merkte, dass sie mich am liebsten gefragt hätte, wozu ich das wissen wollte. »Ich habe etwas, das ihm gehört«, sagte ich.
    »Ganz hinten, das letzte Haus am Fluss. Das blaue mit der großen Veranda.«
    »Danke«, sagte ich.
    Ich wusste, dass sie mir nachsah, als ich ging.
    Wieder zurück im Camp, schrieb ich meine Postkarten. Als ich fragte, ob noch jemand etwas zur Post zu bringen hatte, bekam ich zwei Karten von Janice, drei von Laura und eine von Mark. Sie gaben mir Geld für das Porto und ich schob es in die Hosentasche.
    Alec und Josh spielten Frisbee am Strand. Josh winkte, als er merkte, dass ich herübersah, und ich winkte zurück. Ehe er auf die Idee kommen konnte, zu mir zu kommen, schnappte ich meine Tasche mit der Kamera und zog wieder los. Niemand sagte etwas, auch Alec nicht.
    Offenbar hatten sie mich als die kleine schrullige Smilla abgestempelt, die manchmal minutenlang über nassen Steinen oder einem Tanghaufen gebeugt stehen blieb, um einen richtigen Bildausschnitt für das dreihundertste Foto zu finden. Damit konnte ich wunderbar leben. Nachdem ich anfangs alles getan hatte, um dazuzugehören, war mir inzwischen egal, was sie von mir dachten.
    Dass sie mich nicht für voll nahmen, grämte mich natürlich, aber es hatte durchaus auch Vorteile. Oder zumindest einen Vorteil und das war so eine Art Narrenfreiheit. Wenn es mir gelang, weiter den fotografierbesessenen Naivling zu mimen, würde Alec mich vielleicht ungestört in La Push auf Fotopirsch gehen lassen. Nicht aufbegehren, nicht auffallen, war meine neue Devise. Vielleicht würde sie mir ein bisschen mehr Freiheit einbringen.
    Als ich loszog, spürte ich ein aufgeregtes Kribbeln im Magen. Denn ich hatte nicht nur die Kamera in meiner Tasche, sondern auch Conrads T-Shirt.
    Im Waschraum beim Supermarkt band ich mir vor dem Spiegel ein blaues Tuch ins Haar und legte ein wenig dunkles Rot auf meine Lippen. Noch ein kritischer Blick: Meine Haut war braun gebrannt und klar. Das indigoblaue Tuch betonte meine unterschiedlichen Augenfarben. Zumindest etwas, womit ich Conrad verwirren konnte.
    Als ich weiter in Richtung Ort lief, wurde mir erst so richtig klar, was ich eigentlich vorhatte. Doch zuerst brachte ich die Karten zum Postamt. Ich war versucht gewesen, die Karten der anderen zu lesen, aber schon allein bei dem Gedanken kam ich mir schäbig vor und ließ es bleiben. Auf Postkarten standen sowieso keine Geheimnisse. Nachdem die Karten mit Porto versehen und abgegeben waren, machte ich mich auf den Weg zum anderen Ende des Ortes.
    Vor der weißen Tür des blauen Hauses klopfte mein

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