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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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zusammensitzen konnten. Aber ohne Feuer machte das keinen Spaß und wirklich trocken blieb man auch nicht. Die salzige Feuchtigkeit zog in die Kleider und machte alles klamm.
    Es war eine dunkle, nasse Nacht.
    Bevor alle schlafen gingen, wurde beschlossen, es noch einen weiteren Tag zu versuchen. Sollte der Regen dann nicht aufhören, würden wir die Zelte abbrechen und an der Küste entlang in Richtung Süden fahren, so lange, bis die Sonne wieder schien.
    Hör auf, Regen, bat ich inbrünstig. Tu es für mich. Ich war müde, obwohl es noch gar nicht spät war, höchstens neun, und hörte nur mit halbem Ohr zu, wie Janice vor sich hin plapperte. Sie erzählte von ihrer Freundin Christin, die jetzt Ferien auf den Bahamas machte und dort ihre Unschuld verlieren wollte. Christin und ihre Unschuld interessierten mich überhaupt nicht, aber Janice schien das nicht zu kümmern, die Worte purzelten nur so aus ihrem Mund heraus.
    Janice hatte mir schon einiges anvertraut, was des Nachts in Marks Zelt zwischen ihr und ihm passierte, und ich staunte immer noch darüber, dass sie all das ausgerechnet mir erzählte: Midget, dem Zwerg. Vielleicht einfach, weil ich nun mal das Zelt mit ihr teilte (zumindest tagsüber). Oder weil ich die Einzige war, die sie damit beeindrucken konnte. Aber vielleicht war ich ja jetzt ihre Freundin. Und es gehörte zu einer guten Freundin, dass sie sich auch Sachen anhörte, die sie nicht interessierten.
    »Wirklich?«, fragte ich, um meine Aufmerksamkeit zu bekunden.
    »Ja, stell dir vor«, sagte Janice. »Und ich bin sicher, sie schafft es.«
    Ich erfuhr noch dies und das über Christin. Doch dann – fast mitten im Satz – stoppte Janice ihren Redeschwall, kroch aus ihrem Schlafsack und meinte: »Bis morgen, Smilla.«
    Ich hörte, wie sie den Reißverschluss vom Zelteingang schloss, hörte ihre verhaltenen Schritte auf den Steinen, wie sie sich entfernte. Und dann war da nur noch das Trommeln des Regens auf der Zeltplane und das einschläfernde Rauschen der Brandung.
    Conrad liegt in seinem Zimmer und versucht zu lesen. Doch die Buchstaben verschwimmen vor seinen Augen. Er legt das Buch beiseite und setzt sich an den Schreibtisch. Er schreibt ein Wort in Großbuchstaben: SMILLA. Aber die Gedanken, die in seinem Kopf sind, wollen nicht auf das Papier. Sie sträuben und sperren sich und verweigern sich, festgehalten zu werden. Ob er jemals wieder eine Seite füllen wird?
    Es klopft und er zuckt zusammen. »Ja?«
    Sein Vater tritt ins Zimmer. »Kommst du mit fischen, Con?«
    »Es regnet«, sagt er.
    »Umso besser.«
    Sein Vater hat recht, manche Fische beißen bei Regen besonders gut. »Ich habe keine Lust, okay?«
    Sein Vater zuckt mit den Achseln und geht wieder.
    Conrad ist nicht nach Fischen zumute. Ihm ist nicht nach Schreiben und auch nicht nach Lesen. Er weiß nicht, wonach ihm ist. Er weiß nur eins: dass er dabei ist, sich in ein weißes Mädchen zu verlieben.
    Er hat sich dagegen gewehrt, doch es ist ihm nicht gelungen. Er will Smilla wiedersehen, er sehnt sich nach ihrer Nähe. Ihre Augen verwirren ihn immer noch, doch inzwischen kann er ihren Blick aushalten.
    Er weiß, dass sie in ihn hineinsehen kann, und es stört ihn nicht. Weil er spürt, dass sie ertragen kann, was sie sieht – tief unten, auf dem Grund seiner Seele.
    Es klingelt und Conrad rennt nach unten. Vielleicht ist sie das. Dann kann er sie in sein ordentliches Zimmer führen. Doch es ist Milo, der vor der Tür steht.
    »He, Kumpel, kann ich reinkommen?«
    Nein, du störst . »Klar.«
    Sie sitzen auf dem Balkon unter dem Regendach und trinken Bier.
    »Wo ist dein Alter?«, fragt Milo.
    »Fischen.«
    »Dass er mein Feld gefunden hat, ist ziemliche Scheiße.«
    »Er hat eben eine gute Nase.«
    »Ich bin ruiniert.«
    »Mach mal halblang.«
    »Kann dein Vater nicht einfach Fischer sein oder Busfahrer, verdammt? Muss er ausgerechnet ein Bulle sein?«
    Conrad hebt die Schultern. Er ist stolz auf Chief Howe, auch wenn er das meistens nicht zeigen kann.
    Milo mustert seinen Freund. »Du hast deinem Alten doch nichts gesteckt, oder?«
    »Beleidige mich nicht, okay?«
    »Schon gut, Mann. Kommst du morgen mit?«
    »Wohin denn?«
    »Pilze suchen.«
    Ich habe anderes im Sinn. »Okay.«
    »Um eins bei mir, ja?«
    Conrad nickt gedankenverloren.
    Als Milo später geht, wendet er sich noch einmal um, bevor er Conrads Zimmer verlässt. »Ey Mann, wieso sieht das hier eigentlich so abgefuckt ordentlich aus?«
    Conrad schiebt Milo zur Tür

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