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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nichts passierte. Stattdessen hörte ich einen Pfiff und dann Conrads Stimme, die aus der Ferne zu mir drang und gleichzeitig ganz nah zu sein schien. Die Hände vor dem Gesicht, blinzelte ich durch einen Spalt zwischen meinen Fingern.
    Conrad kniete vor dem Loch, in das ich mich verkrochen hatte. »Smilla, hey«, sagte er und streckte eine Hand nach mir aus. »Komm raus, okay?«
    Ich sah über seine Schulter und schüttelte den Kopf. Dort hockte Boone mit heraushängender Zunge. Conrad wandte den Kopf nach hinten, aber da war der Hund auf einmal verschwunden.
    Nur zögernd reichte ich Conrad meine Hand und ließ mich von ihm unter dem Treibholz hervorziehen, selbst so steif wie ein Stück Holz. Ich begann zu schluchzen und Tränen rannen über meine Wangen.
    Da nahm er mich einfach in die Arme.
    »Hey, schon gut«, sagte er. »Nichts passiert.« Conrad kraulte mir tröstend den Kopf, so, wie man ein kleines Schoßtier streichelte.
    »Boone«, stammelte ich und presste meine Nase in seine Achselhöhle, »er hat mich angefallen, er wollte . . .« Ein Schluchzer erstickte meine Worte. Ich mochte nicht daran denken, was die Bestie mit mir gemacht hätte, wenn Conrad nicht dazugekommen wäre.
    »Boone?«, fragte er, schob mich ein Stück von sich weg und sah mich an. »Das kann nicht sein. Er war die ganze Zeit bei mir und außerdem ist er völlig harmlos, das sagte ich dir doch schon.«
    »Völlig harmlos?«, rief ich aufgebracht. »Er wollte mir an die Kehle.«
    Conrad setzte sich neben mich in den feuchten Sand. »Beruhige dich, okay? Das war nicht Boone.«
    Wütend warf ich einen Stein in den Nebel. »Willst du mir sagen, dass ich spinne? Ich habe doch Augen im Kopf.«
    »Ja, schon gut, ich glaube dir ja. Aber es war nicht Boone, Smilla. Das war Rowdy, Boones Bruder.«
    Ungläubig sah ich ihn an. Wollte er mich auf den Arm nehmen?
    »Rowdy und Boone stammen aus einem Wurf«, erzählte Conrad. »Boone ist mein Hund und Rowdy . . .«, er stockte, »Rowdy gehört Milo. Sein Vater hat ihn scharf abgerichtet. Die beiden Hunde sehen sich verdammt ähnlich, eigentlich kann man sie nur an ihren Augen unterscheiden. Boones Augen sind . . . sie sind besonders...wie deine.« Er sah weg.
    »Aber wenn Rowdy scharf abgerichtet ist, wieso läuft er dann frei hier am Strand herum?«, fragte ich, immer noch zitternd, immer noch wütend.
    »Er muss sich von seiner Kette losgemacht haben. Er will mit Boone zusammen sein und Boone ist ein Stromer. Milo behauptet, dass Rowdy niemandem etwas tut, obwohl es einem so vorkommt. Aber er greift nur an, wenn Milo oder sein Vater den Befehl dazu geben.«
    »Wie beruhigend«, sagte ich stirnrunzelnd. »Ich habe mir vor Angst bald in die Hose gemacht.«
    »Hey.« Conrad tätschelte meine Schulter. »Ich hoffe, Milo hat inzwischen gemerkt, dass Rowdy weg ist, und sucht nach ihm. Denn wenn mein Dad Rowdy erwischt, wird er ihn erschießen.«
    »Warum das denn?«
    »Rowdy ist schon einmal abgehauen und hat einen von den Urlaubern bedroht. Der Mann hat ihn mit einem Knüppel in die Flucht getrieben. Er hat Anzeige gegen Milos Vater erstattet, aber mein Dad hat das irgendwie geklärt. Wenn es allerdings noch mal passiert, gibt es keine Gnade für Rowdy.«
    »Armer Hund«, sagte ich. »Er kann ja nichts dafür.«
    »Stimmt.« Conrad stand auf und reichte mir seine Hand. Er trug wie üblich Jeans und T-Shirt und eine offene schwarze Sweatshirtjacke darüber. Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. Jetzt sah ich, dass sein langes Haar von zahllosen winzigen Nebeltröpfchen benetzt war. »Bist du okay?«, fragte er, ohne meine Hand loszulassen.
    »Ja«, sagte ich und ließ sie ihm. Conrads Hand war trocken und ich spürte die Wärme unter der Haut, spürte jeden Muskel, jeden Fingerknochen. Ich war immer noch aufgeregt, doch nun war es Conrads Nähe, die den Aufruhr in meinem Inneren verursachte.
    »Laufen wir ein Stück?«
    Seine Frage kam vollkommen unerwartet für mich und ich nickte – bestimmt fünfmal. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, aber zu meinem großen Bedauern ließ er meine Hand los. Wir liefen nebeneinanderher die Mole entlang, bis wir am Fuße der Jamesinsel standen. Das Meer hatte sich weit zurückgezogen und man konnte die Insel trockenen Fußes erreichen. Noch hingen in den zerzausten Bäumen auf der Insel rauchige Nebel-fetzen, aber die zerklüfteten Felsen leuchteten schon in der Sonne.
    »Hast du Lust?«, fragte Conrad und nickte mit dem Kopf hinüber zur Insel.
    Mein Herz

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