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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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ich.
    »Damit du es verstehst, muss ich noch einmal mit dem letzten Sommer beginnen«, brachte er mühsam heraus, »denn ich habe dir nicht alles erzählt.« Seine Stimme klang, als wäre er ein alter Mann und würde aus einem anderen Leben erzählen. »Schon seit Wochen lagen mein Bruder und ich uns dauernd in den Haaren. Wir hatten die Highschool beendet und er wollte fortgehen aus La Push. Er wollte seinen Traum verwirklichen und in Kalifornien an den großen Surfwettkämpfen teilnehmen. Er wollte Preise gewinnen, reich werden, auf der ganzen Welt umherreisen auf der Suche nach der perfekten Welle.
    Mir machte das Surfen nach wie vor Spaß, aber ich hatte andere Pläne für meine Zukunft. Ich wollte aufs College gehen und später vielleicht an einer Uni Journalismus studieren. Ich hatte mich an einem College in Seattle beworben und bereits eine Zusage. Doch er nervte mich. Das wäre doch alles Schwachsinn, mit dem Schreiben könnte ich nie viel Geld verdienen.« Conrad seufzte. »Er setzte mich unter Druck und sagte: ›Ohne dich gehe ich nicht, wir gehören zusammen und schreiben kannst du schließlich überall.‹ Er machte mich bald wahnsinnig mit seinem Gerede. Ich verstand nicht, wie er daran denken konnte, wegzugehen aus La Push. Schließlich war da auch noch Tamra und sie war schwanger von ihm. Aber meinem Bruder fehlte jegliches Verantwortungsgefühl, er hatte keine Lust auf Windeln und Babygeschrei, ihm ging es nur um sich selbst.
    Ich hatte mich entschieden, nach Seattle zu gehen, ich musste es ihm nur noch sagen. Ich schob es vor mir her und im August kamen dann die drei aus deiner Truppe mit ihren Surfbrettern an unseren Strand.«
    »Alec, Josh und Mark«, sagte ich mit heiserer Stimme.
    Conrad drehte den Kopf zur Seite, um mich anzusehen. »Ja. Alec und Josh waren keine wirkliche Herausforderung für meinen Bruder, wie all die anderen Surfer auch nicht, die den Sommer über an den First Beach gekommen waren.«
    »Aber Mark war es.«
    Er sah wieder zum Fluss. »Ja. Mark mit seinem Jamaica-Longboard. Mein Bruder saß stundenlang am Strand und beobachtete ihn. Er studierte seine Technik. Mark hatte etwas Faszinierendes für meinen Bruder, weil er anders war. Er trank nie viel, redete wenig, war nicht so laut und geschmacklos wie seine beiden Freunde.
    Schließlich sprachen sie miteinander. Ich glaube, es ging dabei um Traditionen. Mark hatte meinem Bruder erzählt, dass er von einer hawaiianischen Königsfamilie abstammen würde, für die Surfen schon vor Hunderten Jahren eine Art Religion war. Die großen Bretter waren ausschließlich der Königsfamilie vorbehalten. Sie waren als Einzige so gut genährt, dass sie die schweren Bretter überhaupt tragen konnten. Außerdem waren die besten Surfstrände für die königliche Familie reserviert. Wer das missachtete, hatte die Todesstrafe zu erwarten.«
    Conrad wandte sein Gesicht wieder mir zu. »Meinem Bruder gefiel, was Mark erzählte. Das war ganz nach seinem Geschmack. Unsere Vorfahren waren Walfänger, auch sie hatten Privilegien. Wie dem auch sei, die beiden respektierten einander. Eines Tages lieferten sie sich da draußen bei hereinkommender Flut ein Duell. Mein Bruder auf seinem normalen Surfbrett und Mark auf dem Longboard. Mark war gut, aber mein Bruder war spitze – wie immer. Doch dann schätzte er den Überschlag einer Welle falsch ein und wurde kopfüber vom Brett geschleudert.«
    Sein Bruder ist ertrunken, dachte ich, und Conrad brauchte einen Schuldigen. Aber da redete er auch schon weiter.
    »Josh und Alec standen jubelnd am Strand. Mark tauchte nach meinem Bruder und holte ihn raus. Es war nichts passiert, er hatte bloß eine kleine Platzwunde an der Lippe, wo ihn das Surfbrett getroffen hatte. Aber sein Stolz, der war zutiefst verletzt. Er war jemand, der keine Niederlage hinnehmen konnte. Er war wütend und nicht einmal ich konnte ihn besänftigen.« Conrad schwieg eine Weile.
    »Zwei Tage später gab es einen Sturm. Und richtige Wellen. Unser Großvater Akil hatte uns von solchen Wellen erzählt, aber wir hatten so etwas noch nie gesehen. Jetzt waren sie da, mitten im Sommer – und mein Bruder war wie elektrisiert. Er stand mit seinem Brett, das nicht für solche Wellen gemacht war, am Strand, fest entschlossen, eine dieser Monsterwellen zu reiten. Er wollte es Mark und den anderen beiden zeigen, er wollte ihnen zeigen, wer hier der Herr der Wellen war.
    Die drei hatten ihr Camp schon abgebaut und nun standen sie am Strand. Keiner von

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