Indische Naechte
messen.«
»Die besten Briten sind fast so gut wie wir. Und deswegen diene ich auch dem Sirkar. Deswegen, und weil man viel von ihnen lernen kann.« Dann wechselte er abrupt das Thema. »War dein Mann gut zu dir?«
»O ja. Er hat mir viele Juwelen geschenkt und mich immer gut behandelt. Er sagte, ich sei klug, und lehrte mich Persisch, damit ich ihm vorlesen konnte«, antwortete sie stolz.
»Eine Frau mit Bildung«, bemerkte Zafir. »Es wäre eine Verschwendung gewesen, ein solches Talent auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.«
»Das habe ich auch gedacht«, sagte sie ernsthaft.
Der Pathane lachte wieder in sich hinein. Dann zeigte er plötzlich zum Himmel. »Sieh nur, kleine Taube. Ein Dämon stirbt.«
Meera schaute hinauf und entdeckte das Aufblitzen einer Sternschnuppe. »Ein Dämon?«
»Bei meinem Volk sagt man, daß eine Sternschnuppe entsteht, wenn ein Engel einen Dämon im endlosen Kampf zwischen Gut und Böse besiegt hat«, erklärte Zafir. »Vielleicht steht dieser eine für deine heutige Flucht vor dem Bösen, denn dir muß ein Engel geholfen haben.«
Sie legte den Kopf schief. »Ich wußte, daß dein Volk aus Kriegern besteht, aber nicht, daß ihr auch Dichter seid.«
»Wir sind beides, denn der Krieg ist die höchste Poesie.« Dann wurde seine Stimme weich. »Schlaf endlich, kleine Taube, und träume nicht vom Feuer.«
Meera kroch unter ihre Decke zurück und seufzte zufrieden. Morgen würde sie Ganesha ein Dankgebet sprechen und ihm opfern, weil er ihr so geholfen hatte.
Das letzte, was sie im Geist sah, bevor sie wieder in Schlaf sank, waren Zafirs graue Augen, die im Feuerschein funkelten.
An das Haus des Pathanen Habibur erinnerte sich Laura später in erster Linie als an einen Ort der Lustbarkeit. Der gewaltige Gebäudetrakt bestand aus Zimmern, die um einen großen Innenhof angeordnet waren, und bot mehreren Generationen Familienangehöriger Unterkunft. Laura versuchte nicht einmal die verschiedenen Verwandtschaftsbeziehungen der Bewohner zu entwirren. Sie konnte sich ohnehin nicht mit allen Frauen unterhalten, da viele nur Pashto, die Sprache der Pathanen, verstanden und redeten. Aber alle waren sehr freundlich und hießen Laura und Meera in ihrer Mitte herzlich willkommen. Lauras helles Haar war Quelle besonderer Neugier und Faszination. Es wurde so oft gestreichelt und berührt, daß innerhalb kürzester Zeit sämtliche Nadeln herausgerutscht waren und ihr die Locken über die Schultern purzelten.
Laura machte es nichts aus. Nach den letzten Tagen, in denen Ian sich von ihr ferngehalten hatte, tat es gut, unter Menschen zu sein, die sich für sie interessierten. Dennoch hielt Meera und Laura zunächst das Bedürfnis nach einem vertrauten Gesicht eng beieinander. Die junge Hinduwitwe trug inzwischen einen einfachen Baumwollsari und hatte den Schmuck abgelegt, so daß sie jetzt ganz wie die hingebungsvolle Dienerin aussah. Anfangs war sie sogar noch schüchterner als Laura, aber bald sprach sie schon fröhlich mit den anderen Hindufrauen, die es im Haus gab.
Das Innere des ganzen Gebäudekomplexes, das Bäume, einen Brunnen, Geflügel und drei Ochsen einschloß, war Purdah- Gebiet, in dem die Frauen unverschleiert herumlaufen konnten, weil alle anwesenden Männer Verwandte waren. Außerhalb der zehn Fuß hohen Mauern mußten die Frauen sich verschleiern und in unförmige Gewänder hüllen, die sie wie bekleidete Kegel aussehen ließen. Dafür waren die Kleider, die sie im Haus trugen, besonders farbenprächtig.
Obwohl Ian ein Ehrengast war, war ihm der Zutritt nicht gestattet. So saßen die Männer draußen unter den Bäumen, rauchten, erzählten und labten sich an gebratener Ziege. Die Frauen feierten drinnen ihr eigenes Fest.
Da Ian ohnehin Lauras Bett nicht teilen würde, hatte sie nichts dagegen, die Nacht bei den Frauen zu verbringen. So war sie um so überraschter, als Darra, Habiburs Frau, ihr später bedeutete, ihr zu folgen. In gebrochenem Urdu sagte sie: »Männer schlafen jetzt. Du gehst zu Gemahl in Gästezimmer.«
Sie überquerten den großen Innenhof, und Laura bemerkte, daß es leicht zu regnen begonnen hatte, was ihr erklärte, warum die Männer ihre Versammlung bereits abgebrochen hatten. Sie kamen an dem Lehmofen vorbei, als Darra auch schon anhielt und
auf eine hölzerne Treppe zeigte, unter der Licht hervorschien. »Gemahl.« Sie lächelte Laura breit und zweideutig an und tätschelte ihr den Arm. »Schöner, großer Ferengi«, setzte sie noch hinzu, indem sie
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