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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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dann hatte sie es geschafft. Draußen prasselte steter Regen vom dunklen Himmel.
    Doch die Luft war frisch und rein nach der finsteren, erstickenden Atmosphäre in der Kammer. Die Kammer, in der sie ihre mühsam errungene Weisheit geopfert hatte. Sie wandte ihr Gesicht hinauf zum Himmel, und die kühlen Regentropfen mischten sich mit heißen Tränen. Konnte der Regen ihren furchtbaren Charakterfehler fortwaschen? Konnte Feuer sie reinigen?
    »Stirb, verdammt, stirb!« Rauhe, unkontrollierte Schluchzer begannen ihren Körper zu schütteln. Vor ihrem inneren Auge sah sie das häßliche, intensive Blutrot an den Wänden, doch diesmal war es nicht das Blut ihres Vaters, sondern Ians Blut. Und sie war schuld daran. Gott mochte ihrer Seele gnädig sein — sie war schuld!
    Blind und mit tränenüberströmtem Gesicht zog sie die Tür hinter sich zu und floh in die schützende Nacht.
    Ian war in einem Zustand ehrfurchtsvollen Glücks in den Schlaf gesunken. Es war kaum zu glauben, daß sich trotz seiner Taten, trotz der Ereignisse jetzt alles wie magisch zum Guten wendete. Doch seine Seligkeit dauerte nicht lange. Mit einem unguten Gefühl böser Vorahnung wachte er ganz plötzlich auf. Der Grund dafür war die Tür, die mit einem lauten Knall aufgegangen und an die Wand geflogen war und eine
    Bö kalter, nasser Luft hineinließ. Zudem lag er allein im Bett, aber nichts von beiden begründete seine Angst.
    Ein Instinkt, der ihm schon viele Male zuvor das Leben gerettet hat, ließ ihn nun aus dem Bett springen. »Laura?«
    Keine Antwort.
    Im schwachen Licht, das durch die Außentür drang, tastete er auf dem Boden umher, bis er die Zündhölzer fand, die vom Tisch gefallen waren. Er riß eins an und bekam bestätigt, was er schon wußte: Laura war nicht mehr in dem kleinen Raum.
    Leise fluchend suchte er nach der Lampe in seinem Gepäck und zündete sie an. Was ihn noch mehr alarmierte, waren Lauras Kleider, die noch immer dort lagen, wo sie sie ausgezogen hatte. Das einzige, was zu fehlen schien, war das Nachthemd. Selbst ihre Stiefel standen nebeneinander an der Wand.
    Er zog hastig Stiefel und Hose über und war bereits in die stürmische Nacht hinausgeeilt, während er noch mit seiner Jacke kämpfte. Ganze Bäche strömten über den matschigen Boden, und die beißende Kälte erinnerte ihn eindringlich daran, daß der Winter sich näherte.
    Bis auf die letzten Monate im Gefängnis hatte Ian immer eine verläßliche innere Uhr besessen. Nun sagte sie ihm, daß nicht viel Zeit vergangen sein konnte, seit er eingeschlafen war. Laura konnte nicht weit fort sein. Er zwang gewaltsam seine Furcht nieder und suchte den Tamarindenhain so weit ab, wie er es wagte. Wenn sie nicht dort war, würde er zu den Ställen laufen.
    Er fand sie am anderen Ende des Wäldchens. Ihr weißes Nachthemd war so durchweicht und schlammig, daß sie im Schatten der Bäume fast unsichtbar war. Es war ihr schwaches, verzweifeltes Wimmern, das seine Aufmerksamkeit weckte. Sie saß zusammengekrümmt an einem Stamm, und ein furchtbar zerbrechlicher Fuß lugte unter dem Saum des langen Nachthemds hervor.
    Als er sie sah, blieb er stocksteif stehen. Ein zerreißender Schmerz durchdrang sein Herz. Das war viel, viel schlimmer, als er sich hätte vorstellen können. Gnädiger Himmel — was hatte er getan?
    Die Antwort war einfach: Er hatte sein Wort gebrochen! Und es schien, als hätte seine gedankenlose Begierde auch seine Ehe und seine Frau vernichtet.
    Aber darüber konnte er sich später Gedanken machen. Er fiel neben ihr auf die Knie. »Laura! Laura... kannst du mich hören?«
    Als sie keine Antwort gab, strich er ihr das schwere, klatschnasse Haar vom Hals und suchte ihren Puls. Einen Augenblick lang fand er nichts, und sein Herz setzte aus vor Angst. Dann hatte er den schwachen Schlag erfaßt und schob grimmig seine Arme unter seine Frau. Als er sie hochhob, kam plötzlich Leben in ihre Gestalt, und sie wand sich schwach in seinen Armen. »Faß mich nicht an«, keuchte sie. »Faß mich nicht an!«
    »Ich muß es. Es sei denn, du kannst laufen, aber es sieht nicht so aus«, sagte er so ruhig wie möglich. »Ich kann dich jedenfalls nicht hier draußen lassen.«
    Sie verstummte, aber während er sie über den Schlamm trug, spürte er die Schluchzer, die ihren Körper schüttelten. Er betrat das Gästezimmer, trat die Tür hinter sich zu und legte sie auf ihre Liege. Dann durchsuchte er ihr Gepäck, bis er ein Handtuch gefunden hatte. Sie zuckte zusammen

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