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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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und zog sie in seine Arme. Er küßte ihre Stirn, drückte sie zart an sich und murmelte glücklich ihren Namen, während eine Hand ihren Nacken streichelte.
    Laura lag zufrieden da, ließ ihren Herzschlag auf ein normales Maß herabsinken und ergab sich schließlich dem aufkommenden Schlaf. Sie hatten ihre Ehe im biblischen Sinne vollzogen und waren nun wirklich Mann und Frau. Aber wie? Sie war sicher, daß Ian die Wahrheit gesprochen hatte, als er ihr erzählte, er wäre impotent. Und in den ersten Wochen ihrer Ehe hatte es gewiß keine Anzeichen dafür gegeben, daß er sie belogen hatte. Vielleicht hatte ihn das Schwinden seiner Depressionen geheilt.
    Als sie darüber nachdachte, verspürte sie ein heftiges Mitgefühl für ihn. Da er sie unter der Prämisse geheiratet hatte, daß es niemals dazu kommen konnte, mußte die Entdeckung, daß er wieder zur körperlichen Liebe fähig war, ihn in eine höllische Zwickmühle gebracht haben. Wahrscheinlich war dies der Grund gewesen, warum er sich in der letzten Zeit so von ihr zurückgezogen hatte.
    Bisher war Laura stets in der Lage gewesen, das Verlangen eines Mannes zu spüren, warum war ihr also die Veränderung bei Ian vollkommen entgangen? Sie hatte sich offenbar durch den festen Glauben, es könne nicht sein, leiten lassen. Aber wenn sie zurückblickte, mußte sie feststellen, daß ihr durchaus eine Veränderung aufgefallen war, doch sie hatte seine Gefühle als Zorn und Erschöpfung interpretiert. Es war seltsam — die Begierde anderer Männer hatte ihr stets Unbehagen verursacht, die Ians jedoch ganz und gar nicht. Lag es daran, daß sie keine Angst vor ihm hatte? Ja. Und auch, daß sie ihn so begehrte, wie sie es sich bei keinem anderen Mann zugestanden hätte.
    Plötzlich lief ihr ein kalter Schauder den Rücken herab, als sie begriff, was aus dieser Nacht alles folgen konnte. Sie, die der körperlichen Lust abgeschworen hatte, war wortbrüchig geworden. Lieber Gott, die Tatsache, daß sie vollkommen vergessen hatte, was auf dem Spiel stand, war ein erneuter Beweis ihrer Schwäche. Was wie ein Wunder und eine Erkenntnis erschienen war, bedeutete tatsächlich das Vorspiel zu einem Desaster.
    Trotz der Wärme von Ians Umarmung begann sie zu zittern. Sie hatte sich ihrem schlimmsten Wesenszug ergeben und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Ihr Geist wurde von Alptraumbildern überschwemmt, aber dieses Mal war sie hellwach, ungeschützt durch die dämmrige Unwirklichkeit eines Traumes. Ihre Eltern, die übereinander herfielen, durch Leidenschaft zu wilden Tieren reduziert. Die haßerfüllten Drohungen, die gekreischten russischen Worte: Wenn du das tust, bring ich dich um! Oder ich bring mich selbst um! Ihre eigene hysterische gefährliche Reaktion auf den Verrat des Mannes, den sie geliebt, dem sie vertraut hatte.
    Auch wenn sie es zu leugnen versuchte: Sie war ihren Eltern sehr ähnlich — zu ähnlich! In Cambay hatte sie den ersten, häßlichen Stich der Eifersucht verspürt, und sie wußte, sie war zu mehr fähig.
    Und Ian. Zuerst hatte sie geglaubt, er sei wie Kenneth — stets ruhig und vernünftig. Doch mit einem tiefen Gefühl der Furcht erkannte sie, daß er auch viel von ihrem richtigen Vater hatte: die Leidenschaft, die Intensität, die tödliche Fähigkeit zur Gewaltausübung. Wie Laura, so hatte auch Ian auf dem Ball seiner Eifersucht Ausdruck gegeben, und sein irrationaler Zorn war noch schlimmer als ihrer gewesen. Wenn sie nun auch Liebende waren, wie lange würde es dauern, bis sie sich selbst verzehrten?
    Wie lange würde es dauern, bis sie Ian in den Tod trieb?
    Verzweifelt kämpfte sie gegen die aufkommenden Wahnvorstellungen an, die sie zu überwältigen drohten. Obwohl etwas in ihr sagte, daß ihre Zukunft nicht zwingend wie die Vergangenheit aussehen mußte, war ihr panischer Geist nicht mehr zur Logik fähig. Die Vernunft war durch die gequälten Stimmen der Erinnerung erstickt, die in einem schrillen, grausamen Chor eine Katastrophe verkündeten.
    Zersetzende Panik übernahm ihr Denken. Sie machte sich von Ian los und stand auf. Sie hatte sich verdammt, hatte ihren Untergang heraufbeschworen. Und auch den von Ian, was noch schlimmer war. Was sollte sie tun? O Gott, was sollte sie tun?
    Plötzlich nach Luft ringend, stolperte sie in die Richtung, in der sie die Außentür vermutete, und schrammte sich die Hände an der rauhen Wand auf, bis sie endlich die Tür gefunden hatte. Kaum konnten ihre bebenden Hände den Riegel handhaben, doch

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