Indische Naechte
halten mußte. Ihr Verlangen nach Ian war so heftig, daß es sie nur in ihrer Entschlossenheit unterstützte, sich von ihm fernzuhalten. Sie wußte, wie schnell Leidenschaft außer Kontrolle geraten konnte. Eine einzige Nacht hatte genügt, um sie mit gefährlichen, unbeherrschbaren Gefühlen zu erfüllen, und mehr davon würde zwangsweise zu einer Katastrophe führen.
So sehr Laura die körperliche Zurückhaltung schmerzte, so vermutete sie, daß Ian noch mehr darunter leiden mußte. Sicher war sie sich nicht, denn er war sehr geschickt darin, seine Emotionen zu verbergen, und er hatte sich hinter einer Mauer von Gleichgültigkeit zurückgezogen. Dennoch konnte er nicht die ganze Macht seiner Begierde verbergen, die wie ein Leuchtfeuer von ihm auszustrahlen schien. Trotz ihrer Versuche, ihm die Schuld am Geschehenen auszureden, hatte sie die Befürchtung, daß er sich ganz allein dafür verantwortlich fühlte. Es war entsetzlich unfair, daß er an sie gebunden war, die nicht fähig war, ihm eine wirkliche Ehefrau zu sein. In den dunkelsten Stunden der Nacht, wenn ihre Verzweiflung am größten war, geriet Laura mehrmals in Versuchung, ihren Mann zu bitten, sich seine sexuelle Befriedigung woanders zu suchen.
Doch allein der Gedanke daran, daß Ian eine andere Frau berührte, reichte, um Laura vor Eifersucht außer sich geraten zu lassen. Wenn Ian nur einmal seine Aufmerksamkeit Meera zugewandt hätte, dann hätte Laura sich in eine rasende Furie verwandelt. Zum Glück hatte er etwas Derartiges nicht getan. Er betrachtete immer nur seine Frau; tagsüber spürte sie wieder und wieder den Druck seiner verstohlenen Blicke. Wahrscheinlich, so dachte sie unglücklich, überlegte er, was zum Teufel er getan hatte, um die Ehe mit einer verrückten Russin zu verdienen.
Niemand hatte Laura jemals gesagt, daß eine Ehe so war, als ob zwei Leute ein schmales Bett miteinander teilten — das mit Brennesseln ausgelegt war. Sie konnte so nicht bis an ihr Lebensende weitermachen. Die Situation mußte sich ändern, aber sie wußte nicht, wie. Ian zu verlassen, war undenkbar. Die Möglichkeit, er könnte sie verlassen, war eine noch schlimmere Vorstellung.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als das Kontingent dharjistanischer Reiter sie erreichte und ihre Pferde in einer Staubwolke zügelten. Der Offizier rief: »Habe ich die Ehre, mit Lord Falkirk zu sprechen?«
»So ist es, Sir«, erwiderte Ian, ohne Überraschung zu zeigen. Neuigkeiten sprachen sich in diesem Teil der Welt schnell herum, und Ians fremdartiges Aussehen machte ihn leicht identifizierbar.
Der Offizier grüßte höflich. »Ich bin Ahmed von der königlichen Garde. Maharadja Rajiv Singh hörte von eurem Kommen und lädt euch ein, in seinem Palast zu wohnen. Wollt ihr nach Lahore?«
»Nein, unser Ziel ist Manpur«, antwortete Ian. »Meine Frau hat eine kleine geschäftliche Angelegenheit zu erledigen, die im Zusammenhang mit dem Maharadja steht, wenn Seine königliche Hoheit uns die Güte erweist, uns zu empfangen.«
Der überraschte Blick des Offiziers glitt kurz zu Laura. »Rajiv Singh wird sich gewiß darüber freuen, euch beide zu empfangen. Erlaube uns, euch den Rest des Weges zu begleiten.«
Die Reitergruppe teilte sich: die Hälfte blieb vorn, während die anderen sich hinter Meera und Zafir zurückfallen ließen. Als sie sich in Bewegung setzten, murmelte Ian etwas, was Laura nicht verstand. »Was meinst du?«
»Ach, nichts«, gab er zurück. »Nur ein altes Sprichwort aus dem Fernen Osten: >Hüte dich vor dem Mann, der keine Axt zu schleifen hat.<«
»Und was soll das bedeuten?«
Er zuckte die Achseln. »Nichts weiter. Ich finde es nur ein bißchen seltsam, daß der Maharadja sich solche Mühe gibt, unbekannte Privatreisende ohne Bedeutung willkommen zu heißen.«
»Du bist ein Lord. Vielleicht glaubt er, du hast Einfluß auf den Sirkar. Oder vielleicht langweilt er sich bloß und sucht Gesellschaft.«
Ian warf ihr einen ironischen Blick zu, gab aber keine Antwort. Sie ritten die restlichen Meilen schweigend nebeneinander.
Laura riß die Augen auf, als sie durch das gewaltige Tor in den Palast Rajiv Singhs ritten. Draußen war die Gegend flach und staubig, aber innerhalb der Mauern befand sie ein saftiggrüner Lustgarten, der sich so weit erstreckte, wie ihr Auge reichte. Schillerndbunte Vögel sangen in den Bäumen, und ein Rudel zierlicher, schöner Rehe zog ein paar Meter entfernt vorbei.
Der Palast erwies sich als noch beeindruckender. Laura
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