Indische Naechte
in Dharjistan, Lord und Lady Falkirk.
Wie ich gehört habe, wünschen Sie mit mir zu sprechen?«
Er entstammte der Kriegerkaste der Rajputen und strahlte die Autorität eines geborenen Führers aus. Außerdem besaß er die Direktheit, die beim Militär üblich war, und Ian reagierte mit der gleichen Offenheit. »Ja, Eure Hoheit. Meine Frau ist eine Nichte von Colonel Pjotr Andrejewitsch Kuschutkin, der behauptet hat, er wäre mit Euch bekannt.«
Das Gesicht des Rajputen erhellte sich, als er zu Laura hinübersah. »Ah, dann sind Sie diejenige, die er >seine kleine Lara< genannt hat?«
»Ja, Eure Hoheit, obwohl ich jetzt den Namen Laura benutze.«
»Wie geht es meinem alten Freund Pjotr Andrejewitsch?«
»Ich bedaure, Euch sagen zu müssen, daß er tot ist.«
Rajiv Singh seufzte. »Eine Schande, aber keine Überraschung. Was er tat, war gefährlich.« Dann betrachtete er sie interessiert. »Pjotr Andrejewitsch sagte , seine junge Nichte könnte sehr gut Schach spielen. Genauso gut wie er, Lady Falkirk?«
»Er hat es mir beigebracht«, erwiderte sie bescheiden.
Die Augen des Maharadjas leuchteten auf. »Das ist eine vielversprechende Empfehlung!« Dann wurde seine Miene nachdenklich. »Ich hatte es fast vergessen, aber Ihr Onkel hat ein kleines Kästchen mit persönlichen Papieren hiergelassen. Sind Sie aus diesem Grund gekommen?«
»Ja, Eure Hoheit«, antwortete Laura. »Vor seinem Tod schrieb er mir einen Brief, in dem er davon sprach und sagte, er habe es bei Euch hinterlegt.«
»Es wird in Ihr Zimmer gebracht, sobald wir es finden.« Rajiv Singh lächelte gewinnend. »Es ist irgendwo in der Schatzkammer. Ziemlich sicher zwar, aber es ist recht unordentlich dort, deswegen wird eine Weile gesucht werden müssen.«
Sein Blick wanderte zu Ian zurück. »Sie sind ein Soldat, Lord Falkirk?«
»Ich habe meinen Dienst quittiert, als ich meinen Titel erbte«, erklärte Ian. »Doch davor war ich in der Armee.«
»Sehr gut. Dann haben Sie sicher Interesse an einer Truppenparade, die in ein paar Tagen stattfinden wird.« Der Rajpute lächelte. »Ich bin recht stolz auf meine Armee. Ich habe die besten Offiziere Europas angeworben, um sie auszubilden, und sie ist mit hervorragenden Waffen ausgerüstet. Da der Punjab in Aufruhr ist und die Grenzstämme stets eine Bedrohung darstellen, muß ich immer bereit sein. Wenn Sie Vorschläge für die Verbesserung der Ausrüstung oder der Disziplin haben, würde ich mich freuen, sie auszuführen.«
»Eure Hoheit schmeichelt mir«, sagte Ian. »Ich habe zwar keine Erfahrung, die über die anderer Offiziere hinausgeht, aber es wäre mir eine Ehre, die Parade sehen zu dürfen.«
Mit einer Miene, die an einen begeisterten Jungen erinnerte, lehnte sich der Maharadja in seinem vergoldeten Thron nach vorn. »Haben Sie Erfahrung mit Artillerie?« Als Ian nickte, fuhr Rajiv Singh fort: »Man hat mir gesagt, eine russische Kanone könnte pro Minute zwölfmal feuern, aber ich habe meine Zweifel, das zu glauben. Ist so etwas möglich?«
»Wer immer das behauptet hat übertrieben«, antwortete Ian. »Die besten Mannschaften, die ich gesehen habe, schaffen sieben Abschüsse. Um die Treffsicherheit zu gewährleisten, sind vier die Minute sinnvoller. Warum Munition verschwenden?«
»Ganz sicher ist die Anzahl der Treffer wichtiger, als reine Schnelligkeit«, bemerkte der Rajpute nachdenklich. »Was glauben Sie...?«
Lauras Aufmerksamkeit driftete ab, als die Unterhaltung technisch wurde. Dann trat eine kostbar gekleidete Hofdame auf sie zu und winkte ihr, auf das Podest an die Seite des Throns zu kommen. »Bitte kommen, Lady Falkirk«, sagte sie mühsam und zögernd.
Es kam ihr ziemlich dreist vor, sich dem Maharadja so weit zu nähern, daher warf sie Ian einen fragenden Blick zu. Er hatte den kurzen Austausch bemerkt und nickte ihr nun zu. Also folgte sie der Frau die Stufen hinauf und über das Podest, bis sie nur wenige Schritte vom Maharadja entfernt war. Der war jedoch so vertieft in seine Unterhaltung mit Ian, daß er keine Notiz von ihr nahm, und die schwerbewaffneten Wachen beachteten sie überhaupt nicht.
Es schien, als würde die Hofdame direkt gegen die Wand laufen, aber dann erkannte Laura, daß das, was wie eine Mauer ausgesehen hatte, in Wirklichkeit eine reichbestickte Stoffbahn war, die eine große Türöffnung verdeckte. Es war ein Purdah-V orhang, der die hochgeborenen Hindufrauen vor den Blicken des gemeinen Volkes schützen sollte.
Ohne zu zögern teilte die
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