Indische Naechte
Dutzend Fürsten von entsprechendem Rang ein, aber Rajiv Singh überstrahlte die anderen Bewerber wie die Sonne die Sterne. Vielleicht wissen Sie, daß >Singh< Löwe bedeutet. Normalerweise ist das nicht mehr als ein Name, und nicht einmal ein seltener. Aber als ich meinen Rajiv sah, wußte ich, daß er wirklich ein Löwe war. Und daß es uns bestimmt war, zusammenzusein.«
Der Ausdruck der Liebe auf dem Gesicht dieser Frau versetzte Laura einen scharfen, unerwünschten
Stich des Neides, aber sie sagte nur: »Wie alt wart Ihr da, Euer Hoheit?«
»Fünfzehn. Ziemlich alt, um zu heiraten, aber mein Vater ließ mich nur widerstrebend gehen.« Wieder legte die Maharani den Kopf schief. »Es scheint mir sehr steif, ständig mit >Euer Hoheit< angeredet zu werden. Sag doch Kamala zu mir, wenn wir allein sind.«
»Ich fühle mich geehrt. Bitte nennen Sie mich Laura.«
Plötzlich wurden die Augen der schönen Frau von Trauer verdunkelt. »Ich bin nicht mit Kindern gesegnet. Hast du welche, Laura?«
Laura spürte, wie sie rot wurde. »Mein Mann und ich sind erst ein paar Wochen verheiratet, Kamala. Selbst für mein Volk war ich nicht gerade eine junge Braut.«
Nach kurzer Überlegung meinte Kamala: »Es war es wert, auf deinen Lord zu warten«, sagte sie ermutigend. »Es ist schade um sein Auge, aber er ist immer noch ein attraktiver Mann. Er hat eine große Ausstrahlung! Wie ein Falke, der Fürst der Lüfte. Hast du dir schon ein Horoskop erstellen lassen?«
Nachdem Laura dies verneint hatte, fuhr die Maharani fort: »Wenn du mir Ort und Zeit deiner Geburt und der deines Mannes sagst, dann lasse ich einen Priester die Horoskope errechnen - Karma, die Bereiche der Übereinstimmung, die der Streitpunkte.« Sie lachte wieder. »Aber inzwischen hast du sie ja wohl selbst herausgefunden! Trotzdem — es ist interessant zu hören, was Horoskope sagen.« Mit einem raschen Themawechsel fragte sie: »Um so gut Persisch zu sprechen, muß man in Indien leben. Wo bist du zu Hause?«
Da selbst solche einfachen Fragen komplizierte Antworten erforderten, bestand keine Gefahr, daß den beiden Frauen der Gesprächsstoff ausgehen würde. Kamala war eine anregende Gesellschaft, und als sie ihren Gast entließ, hatten die beiden bereits begonnen, Freundschaft zu schließen. Doch als Laura durch das Labyrinth des Palastes zurückgeleitet wurde, dachte sie vor allem mit Neugier an das Horoskop. Würde es ihr wirklich etwas Nützliches über ihre Ehe verraten? Sie hoffte es.
Nachdem der Maharadja ihn entlassen hatte, kehrte Ian zu ihrer Wohnung zurück und trat auf den Balkon, um frische Luft zu schnappen. Die Sonne ging unter, und es war sehr entspannend, die wachsenden Schatten in dem friedlichen Innenhof zu beobachten, während er über die Ereignisse des Tages nachdachte.
Es war fast dunkel, als Laura zurückkehrte. Sie kam auf den Balkon zu ihm heraus und lehnte sich mit gekreuzten Armen in einem sicheren Abstand von ihm über das Geländer. »Seid Rajiv Singh und du zu einer Übereinstimmung bezüglich der Artillerie gekommen?«
»Abgesehen von der Tatsache, daß es besser ist, ein Ziel zu treffen, als nur Lärm zu machen, nicht wirklich«, antwortete Ian. »Aber immerhin ist das ein substantielles Wissen. Ich freue mich darauf, der Parade in einer Woche beizuwohnen.«
»Der Maharadja ist ein eindrucksvoller Mann«, bemerkte sie. »Er hat eine magische Anziehungskraft. Es ist leicht, sich vorzustellen, was ihn zu einem so guten Herrscher macht.«
»Da stimme ich zu.« Obwohl der Hof wie ausgestorben dalag, senkte Ian seine Stimme. »Hoffen wir, daß er den Briten eine so solide Stütze ist, wie allgemein angenommen wird.«
Mit ebenso leiser Stimme fragte Laura: »Meinst du, er könnte gegen den Sirkar intrigieren?«
»Ich hoffe nicht. Als Gegner wäre er ziemlich ebenbürtig.« Ian runzelte bei dem Gedanken die Stirn. »Wir beide müssen gut auf das hören, was um uns herum erzählt wird. Ich werde wohl auch Zafir bitten, mit ein paar Dharjistani-Soldaten Bekanntschaft zu schließen. Sie könnten uns nützliche Informationen liefern — ich wundere mich immer wieder, wie viele einfache Soldaten darüber Bescheid wissen, was bei ihren Vorgesetzten abläuft.«
Laura nickte, drehte sich dann um und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer. Als sie sich bewegte, entströmte den Falten ihres Kleides ein schwacher Duft, der Ian an Marzipan und Veilchen erinnerte. Dann bemerkte er, wie sein Körper sich verspannte, und wandte
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