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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Hofdame den Vorhang und trat hindurch, drehte sich dann um und winkte Laura erneut. Voller Neugier gehorchte Laura und fand sich in einer anderen Welt wieder.

Kapitel 23
    Der kleine Raum hinter dem Vorhang war so reich geschmückt, daß er Aladins Höhle hätte karg aussehen lassen. Die Luft war gesättigt von schwerem Parfüm, das sowohl von Unschuld als auch uralter Weisheit sprach. Doch es war die Frau, die ruhig auf einem dickgepolsterten Diwan saß, die Laura unwillkürlich den Atem anhalten ließ. Sie mußte die Maharani sein, und sie war mit ihrer dunklen, weichen Haut und ihren riesigen Mandelaugen, die alles zu sehen und zu verstehen schienen, der Inbegriff orientalischer Schönheit. Die winzigen, sternförmigen Juwelen, die ihr weißes Seidenbolero und ihren Sari zusammenhielten, gaben ihr das Aussehen der indischen Version einer Feenkönigin.
    Laura ließ sich in den tiefstmöglichen Hofknicks fallen. Als sie sich wieder aufrichtete, suchte sie verzweifelt nach der korrekten Anrede. Würden Ian und sie in den nächstbesten Kerker geworfen werden, wenn sie einen Fehler machte? Asiatische Herrscher konnten recht unberechenbar sein. Dann entschied sie, daß sie mit der normalen Höflichkeitsfloskel wenigstens als Anfang gut bedient war, legte die Hände zusammen, senkte den Kopf und sagte: »Namaste.«
    Mit einem erfreuten Lächeln erwiderte die Frau in Weiß ihren Gruß und sagte dann in bemühtem Englisch: »Ich bin Maharani Kamala. Ich wollte Sie in Manpur willkommen heißen, Lady Falkirk.«
    »Vielen Dank, Euer Hoheit.« Laura überlegte, ob sie mehr sagen sollte oder ob es das königliche Vorrecht war, die Unterhaltung weiterzuführen.
    Kamala legte den Kopf schief, und der Wasserfall rabenschwarzen Haars schimmerte unter dem Hauch ihres Schleiers. »Sie sind sehr anmutig, Lady Falkirk, aber nicht im üblichen Sinn der Engländer. Mehr, mehr...« Sie machte eine Geste, die ihre goldenen Armreifen zum Klingen brachten, als suchte sie nach einem Wort.
    Ins Persische wechselnd, sagte Laura: »Eigentlich bin ich auch keine Britin, sondern Russin, Euer Hoheit. Ich habe tatarische Vorfahren.«
    Das Gesicht der Maharani erhellte sich. »Oh, Sie sprechen meine Sprache ganz hervorragend, Lady Falkirk«, antwortete sie ebenfalls in Persisch. »Mein Mann wünscht, daß ich Englisch lerne, und ich studiere es schon eine ganze Weile, aber ich habe noch viel zu lernen.« Sie deutete graziös auf einen gepolsterten Schemel. »Bitte nehmen Sie Platz. Ein anderes Mal können wir in Englisch reden, daß ich Übung bekomme, aber nun bin ich froh, frei und ungehemmt sprechen zu können. Ich habe mich immer danach gesehnt, mit einer Dame Ihrer Nationalität Bekanntschaft zu schließen, aber nur wenige finden ihren Weg nach Dharjistan und noch weniger können so gut Persisch wie Sie.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, Eure Fragen zu beantworten, Euer Hoheit.« Laura ging über den dicken Teppich auf sie zu und setzte sich. »Aber bitte verzeiht mir, wenn ich Fehler bezüglich der Etikette begehe. Ich bin nicht vertraut mit den Gepflogenheiten bei Hof.«
    Die Maharani lachte fröhlich. »Ich werde das in Betracht ziehen — aber Sie sollten sich keine Sorgen machen. Ich bin nicht leicht zu beleidigen.« Aus der Nähe sah sie noch entzückender aus, wie eine Madonna Michelangelos. »Was führt Sie nach Dharjistan?«
    Laura rief sich in Erinnerung, daß die Unterhal-tung im Durbar-Saal auf Englisch geführt worden war, und so wiederholte sie: »Mein Onkel, ein russischer Colonel namens Pjotr Andrejewitsch Kuschutkin, ließ seine persönlichen Papiere hier bei Eurem Gemahl. Da er verstorben ist, bin ich nun an seiner Stelle gekommen.«
    Die Miene der Maharani verdüsterte sich. »Wie schrecklich. Der Colonel war so ein angenehmer Mann. Ich habe seinen Besuch bei uns sehr genossen.«
    »Ihr habt ihn kennengelernt?« fragte Laura überrascht.
    »Auch wenn ich zu öffentlichen Gelegenheiten die Regeln einhalte, bewege ich mich im Palast und vor Freunden gewöhnlich unverschleiert - so wie jetzt.« Kamela lächelte schelmisch. »Von allen Kasten Indiens sind wir Rajputen die unabhängigsten. Manche meinen die schamlosesten. Wußten Sie, daß Rajputen-Prinzessinnen sich oft ihren Mann selbst auswählen?«
    »Nein, das wußte ich nicht«, antwortete Laura fasziniert. »Habt Ihr denn Rajiv Singh erwählt?«
    Kamala lachte bei der Erinnerung in sich hinein. »Ich hatte keine richtige Wahl. Mein Vater, der Raja von Stanpore, lud ein

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