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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Fehltritt hätte die ihre zu ihm zerstört, und das hätte er sich nur selbst zuzuschreiben. Dann stürmte sie aus dem Haus.
    Ich wollte zu meinem Vater gehen, aber er war so außer sich, daß ich es nicht wagte. Also huschte ich durch eine andere Tür aus der Bibliothek und versteckte mich zitternd in meinem Zimmer.« Sich zwingend, fortzufahren, sagte sie: »Der Rest geschah so, wie ich es dir erzählt habe. Ich hatte mich fast schon selbst überzeugt, daß dies nur wieder ein Streit wie die anderen war, und daß am nächsten Tag wieder alles in Ordnung sein würde. Dann... dann hörte ich den Schuß und ging hinunter. Als ich die Leiche meines Vaters sah, war mein erster Gedanke, er hätte dies nicht getan, wenn ich direkt zu ihm gegangen wäre.«
    »So etwas darfst du nicht denken!« sagte Ian be-stimmt. »Kein Kind kann eine solche Verantwortung für seine Eltern tragen.«
    »Was hätte ich sonst denken sollen?« schrie sie unter Tränen auf. Sie schlang ihre Arme um ihre Mitte und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. »Aber ich verschwendete damals zuerst wenig Gedanken an Schuld. Als Vater über den Tisch gestürzt war, hatte er seinen Abschiedsbrief heruntergewischt, und dieser lag nun vor meinen Füßen. Ich nahm ihn auf und las ihn, und es war praktisch das Schlimmste von allem. Darin stand, er könne Tatjanas Untreue nicht ertragen, und er hätte sich umgebracht, um zu beweisen, wie sehr er sie liebte.« In Lauras Stimme tauchte ein hysterischer Unterton auf. »Kannst du begreifen, was er da schrieb? Er hat unser aller Leben zerstört und behauptete, es geschähe aus Liebe!«
    »Dein Vater litt unter einem Anfall von Wahnsinn«, sagte Ian mit ruhiger Stimme. »Er war schwermütig, prädestiniert zur Mutlosigkeit, und was an diesem Tag passierte, gab den Ausschlag, sich in den Selbstmord zu retten.«
    »Oh, ich zweifle nicht daran, daß er an diesem Tag wahnsinnig war«, erwiderte Laura bitter. »Meine Mutter aber war gesund, es sei denn, sie war von Leidenschaft überwältigt, denn dann war sie genauso wild und unbeherrscht wie mein Vater. Obwohl sie ihn nicht erschossen hat, hätte es mich nicht erstaunt, wenn es so gewesen wäre. Sie wäre dazu fähig gewesen.«
    »Aber sie hat es nicht getan, und du bist ihr ähnlicher als ihm.«
    Seinen Einwurf ignorierend, fuhr Laura fort: »Als ich den Brief gelesen hatte, wußte ich instinktiv, daß ihn niemand sehen durfte, und so versteckte ich ihn in meinem Zimmer. Die offizielle Version lautete, daß mein Vater sich beim Reinigen seiner Waffe versehentlich selbst getötet hatte, so daß er in geweihter Erde begraben werden konnte.
    Einige Tage nach dem Begräbnis gab ich Mutter den Brief. Sie wußte es wahrscheinlich schon, aber der Beweis, auch noch mit getrockneten Blutflecken darauf, war zuviel. Sie brach zusammen und weinte und schrie, daß es alles nur ihre Schuld gewesen war. Sie war an dem Tag natürlich nicht zu Graf Vyotow gegangen, sondern zu einer Freundin. Nachdem sie sich dort beruhigt hatte, war sie bereit, zurückzukehren und meinem Vater zu verzeihen, wenn er nur genug Reue zeigte. Aber er war tot. Sie sagte mir, die Leidenschaft sei an allem schuld, sie sei eine Viper, die alles vergiftete, was gut und wahrhaftig sei. Und daß sie sich niemals wieder davon beherrschen lassen würde, denn solche Emotionen seien mit Wahnsinn gleichzusetzen.«
    »Du bist aber nicht deine Eltern«, sagte Ian mit Nachdruck. »Deine Mutter hat wieder geheiratet, und beim zweiten Mal endete es nicht in einer Katastrophe.«
    »Tatjana hat aus den Ereignissen gelernt. Zudem war mein Stiefvater zu ausgeglichen, zu vernünftig, um eine neue Tragödie zu erlauben. Nur bedeutet das nicht, daß ich davor sicher bin.« Sie schauderte. »In meinen Adern strömt das Blut beider Elternteile, und ich trage die Saat der Gewalt in mir.«
    »Das wäre eine schwere Last, wenn es stimmte.« Er schüttelte den Kopf. »Wieso bist du nur so sicher, daß Liebe und Leidenschaft dich in eine Wahnsinnige verwandeln? Du hast Temperament, aber ich habe noch nie einen Hinweis darauf bemerkt, daß du für dich oder andere eine Gefahr sein könntest. Mich von dem Steg zu stoßen, kann wohl kaum als Mordversuch gelten.«
    Sie schenkte ihm ein verzerrtes Lächeln. »Der Beweis liegt in dem letzten meiner Alpträume. Ich habe noch nie jemandem davon erzählt, aber als ich sechzehn war, verliebte ich mich in einen Studenten vom Haileybury College. Edward meinte, da mein Stiefvater sein Lehrer sei,

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