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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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und lud sein Gewehr nach.
    WUMM! Diesmal schlug die Kugel nicht so nah bei ihm ein, denn das Verschieben der Kanone hatte die Zielgenauigkeit verändert. Ian blieb in der Höhle. Er hatte nur noch ein paar Dutzend Patronen. Wenn diese aufgebraucht waren, konnte er nur noch seinen Revolver benutzen, der auf die Entfernung nicht so treffsicher war. Es war besser, eine Weile aufzuhören. Vielleicht glaubten seine Angreifer dann auch, sie hätten ihn erledigt, und wurden unvorsichtiger.
    In diesem Teil der Welt war es fast eine Faustregel, die letzte Kugel für sich selbst aufzuheben. Das war ein guter Rat; wenn die Afghanen ihn lebend erwischten, würden sie ihm keine Gnade erweisen — nicht, nachdem er so viele von ihnen getötet hatte. Sie waren ein einfallsreiches Volk, und der Tod würde langsam und qualvoll sein. Doch der Revolver war geeignet, ihm das zu ersparen. Aber zuvor mußten sie um die Höhle kämpfen. Immer noch hatte er den Vorteil auf seiner Seite. Er sollte in der Lage sein, noch ein Dutzend von ihnen in den Tod zu schicken. Und er konnte die Invasion noch eine Weile hinauszögern.
    Das Geschütz ging wieder los und traf besser. Sie zielten wieder richtig. Es war Zeit, den nächsten Kanonier zu erlegen.
    Doch bevor er es tun konnte, explodierte die Welt in Chaos und Schwärze.
    Sie hörte das Geräusch des Kanonenfeuers lange, bevor sie den Paß betraten. Laura zuckte bei jedem Donnern zusammen, obwohl der Lärm bedeutete, daß Ian lebte und sich tapfer hielt. Weil der Pfad so schmal und so unsicher war, hatte David seinen Männern befohlen, die Pferde zu führen. Nun schlängelten sie sich in langer Reihe langsam, aber stetig aufwärts.
    Obwohl ihre Lungen brannten und sie kurz vor dem Zusammenbruch stand, weigerte sie sich, ihre Position am Kopf der Truppe aufzugeben. David und Zafir führten, Laura und Kuram folgten ihnen.
    Sie nahm an, daß der Afridi mitgekommen war, weil er einem guten Kampf nicht widerstehen konnte.
    Endlich erreichten sie den Punkt, von dem aus sie die Felswand sehen konnten, in der Ian sich verschanzt hatte. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie die Rauchwolken sah und das Krachen seines Gewehrs hörte. Er war noch am Leben!
    David drehte sich zu ihr um. »Bleib hier, Laura. Sie haben mindestens eine Kanone da oben, und ich will nicht, daß du in ihre Reichweite kommst.«
    Als die Kanone erneut krachte, nickte Laura, denn sie wußte, daß sie nun vernünftig sein mußte. Zudem hatte sie kein Interesse daran, sich mit den Afghanen zu bekriegen. Sie wollte nur Ian lebend wiederbekommen. Und sie hoffte inständig, daß er es nicht als seine Pflicht ansehen würde, bei den Soldaten seines Bruders zu bleiben.
    Die Kanone krachte wieder, dann folgte ein unbeschreibliches Donnern, ein so tiefes Grummeln, daß es mehr eine Vibration der Erde als ein echtes Geräusch war. Instinktiv schaute Laura zu Ians Festung hinauf: Direkt vor ihren Augen stürzte der gesamte Felsen mitsamt Ians Höhle wie in Zeitlupe zusammen.
Kapitel

Kapitel 32
    Der Krieger wußte nicht, wie lange er schon durch die Berge gestolpert war, denn die meiste Zeit war er nicht ganz bei Bewußtsein gewesen. In gewisser Hinsicht war das Delirium gut, denn er spürte dann wenigstens die Schmerzen nicht. Doch nun kehrte er langsam wieder in die Realität zurück, und er stellte fest, daß er den größten Teil des Shpola-Passes bereits geschafft hatte. Allah mußte seine Hand über ihn gehalten haben, wenn er auf diesem trügerischen Pfad entlanggelaufen war, ohne in den Abgrund zu stürzen. Wäre es Blasphemie, darauf zu hoffen, daß Allah ihm auch etwas zu essen schickte? Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas zu sich genommen hatte, aber es war einige Tage her. Bald würde er keine Kraft mehr haben, um* weiterzulaufen.
    Doch er mußte weiter, denn zuviel hing von ihm ab. Schwankend blieb er stehen und lehnte sich gegen den schroffen Felsen. Der Paß war ein geisterhafter Ort, und der Wind jammerte unheimlich — es klang wie die Stimmen verdammter Menschen. Nicht weit vom östlichen Ende des Passes lag sein Zuhause, das Wärme und Nahrung bedeutete, und Menschen, die seine Wunden verbinden konnten. Doch die verbleibende Strecke hätte auch unendlich sein können, denn seine Chancen, sie zurückzulegen, waren nicht die besten.
    Dann hörte er das Klappern von Hufen durch die Schlucht hallen. Zuerst durchströmte ihn reine Panik und machte seinen Kopf endgültig klar. Sie hatten ihn eingeholt, und

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