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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Geschichte, die Ian schon in Manpur erfahren hatte, die Einzelheiten hinzu. Der Havildar wußte nicht genau, wann er verwundet worden war — vielleicht war es vor zehn Tagen gewesen. Es war ihm gelungen, die größte Strecke des Rückzugs eine kleine Gruppe Männer zusammenzuhalten, doch ein paar Meilen vor Jallalabad waren sie umzingelt und von Angreifern in fünffacher Überzahl niedergemetzelt worden.
    Gulab Khan war verwundet worden, und die Leiche eines anderen fiel auf ihn. Die Afghanen hatten soviel Kriegsbeute bei sich, daß sie nur die wertvollen Waffen nahmen und darauf verzichteten, die Toten zu durchsuchen. So entging ihnen, daß es einen Überlebenden gegeben hatte.
    Schließlich fanden sie, sie könnten eine Pause machen, und zündeten ein Feuer neben den Sepoy-Leichen an. Während sie ihre Mahlzeit bereiteten und aßen, redeten sie fröhlich über den Sieg und über das, was sie als nächstes vorhatten. Einer der Männer war ein Stammesoberhaupt und erzählte den Reitern, sie würden bald über den Shpola-Paß nach Indien eindringen. Dort würden sie sich mit anderen Armeen zusammentun und die Briten so leicht ins Meer treiben, wie sie sie aus Kabul verjagt hatten.
    Als er das hörte, wurde Gulab Khan klar, daß er sich den Tod noch nicht gönnen konnte, auch wenn er halb verhungert und erfroren und verwundet war. Als die Afghanen fort waren, stand er auf, nahm sich Mantel und Hemd von einem toten Kameraden, damit er die auffällige rote Kleidung, die er trug, verdecken konnte. Dann begann er vorwärtszuhinken, um General Sale Sahib in Jallalabad zu berichten, was er wußte.
    Nach dem schrecklichen Marsch bis Jallalabad kam der vernichtende Schlag. Als er auf Sichtweite an das Fort herangekommen war, mußte er feststellen, daß er nicht hineinkam, denn die Ebene um die Festung war voller galoppierender, schießender und schreiender Afghanen. Zu versuchen, hindurchzukommen, wäre Selbstmord gewesen.
    An diesem Punkt hätte Gulab Khan fast aufgegeben. Aber er war nicht nur Soldat des Sirkar, sondern auch ein Afridi, und er würde sich nicht hinlegen und sterben, wenn er so wichtige Informationen besaß. Natürlich würde er nicht über den Khyber kommen, und so hatte er sich auf den Weg zum Shpola gemacht, den er aus seiner Kindheit kannte.
    Der Mann hatte seine Erzählung beendet und sackte gegen den Felsen zurück. »Du hast mit bewundernswerter Tapferkeit gehandelt, Gulab Khan«, sagte Ian ruhig. »Der Sirkar kann stolz darauf sein, Männer wie dich zu haben.«
    Die Augenlider des Havildars flatterten noch einmal auf. »Das Wichtigste habe ich mir bis zum Schluß aufgespart, Huzar«, sagte Gulab Khan mühsam. »Die Afghanen sind weniger als einen halben Tag hinter mir.«
    Ian fluchte. »Haben sie den Paß schon erreicht?«
    »Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen«, sagte Gulab Khan. »Als ich auf dem Kamm ankam und zurückblickte, sah ich eine endlose Reihe Krieger, einige beritten, einige zu Fuß. Und Waffen, Huzar. Sie schleppen unglaubliche Waffen.«
    Ian warf Laura einen Blick zu und empfand eine kurze, heftige Furcht. Er hätte niemals zulassen dürfen, daß sie ihn begleitete. Die Invasion hatte begonnen, und die Eindringlinge waren nur ein paar Meilen entfernt. Doch er mußte sich zusammenreißen. »Havildar, gibt es hier irgendwo eine Stelle, an der ein einzelner Mann eine Armee aufhalten kann?«
    Gulab Khan dachte nach, dann erschien ein wölfisches Grinsen auf seinem Gesicht. »Ja, Huzar. Ein kleines Stück weiter voraus.«
    Ian half dem Mann auf die Füße und hob ihn dann auf sein eigenes Pferd. »Zeig es mir.«
    Ian führte das Pferd den Pfad entlang und hielt mit einer Hand Gulab Khan fest, während Laura mit ihrem Pferd folgte. Eine halbe Meile weiter kamen sie an eine Stelle, die exakt für einen Hinterhalt geschaffen worden schien. Der Pfad hatte eine ganze Weile schon bergauf geführt, und nun hatten sie den höchsten Punkt erreicht. Ein kurzes Stück weiter, bevor er sich wieder senkte, machte der Weg eine Schleife, die wie ein doppeltes Hufeisen aussah. Dort war der Pfad so schmal, daß wirklich nur ein einziger Mensch auf ihm laufen konnte. Ein Hek-kenschütze auf dieser Seite konnte leicht jeden treffen, der von dort kam. Zudem würde er den Vorteil der erhöhten Position haben. Dies war eine Stelle, an der Ian wirklich eine Armee aufhalten konnte. »Gut gemacht, Havildar. Das ist perfekt.«
    »Nein, Huzar«, sagte der Pathane. Mit einer umfassenden Geste deutete er auf

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