Indische Naechte
Afghanen das Gebiet für ihre Invasion benutzen. Die Afghanen sind unsere Vettern, wissen Sie? Deswegen ist es viel leichter, sie zu hassen.« Er erhob sich von der Bank. »Ich werde eine Nachricht zu meinem Stamm schicken und vorschlagen, daß sie die Briten unbehelligt durchziehen lassen. Die meisten werden sie ebenfalls als das kleinere Übel betrachten, da sie eher wieder verschwinden werden.«
Nach diesen Worten geschah alles sehr rasch. Innerhalb einer halben Stunde waren Laura und Kuram auf dem Weg zur Straße, die zum Khyber-Paß führte. Nun mußte sie nur noch eine Armee finden.
Ian hatte seine Armee gefunden und wünschte sich nichts mehr, als daß sie verschwände. Die letzten Stunden hatte er oft an ein Hindu-Gebet gedacht: O Herr, vom Gift der Kobra, von den Zähnen des Tigers und von der Rache der Afghanen befreie uns!
Es war nicht schwer zu erraten, woher die Afghanen ihren Ruf hatten. Warum konnten diese verdammten Idioten nicht einfach einsehen, daß sie den Shpola-Paß nicht benutzen konnten, und verschwinden? Aber sie taten nichts dergleichen. Sie machten Ausfälle, kletterten bergauf, bergab und auf der anderen Seite der Schlucht herum, taten alles Erdenkliche, um sich ihm zu nähern.
Sie hatten seine luftige Position inzwischen ausgemacht. Ab und zu kam einer hervorgerannt, feuerte auf ihn und versuchte, sich zu ducken, bevor er zurückschießen konnte. Manchmal hatten sie Erfolg, meistens aber Ian. Ein cleverer Kerl versuchte es mit einer List: Er wickelte einen Turban um einen Stock und hielt ihn hoch, um Ian dazu zu verleiten, Munition zu verschwenden. Ian fiel einmal darauf herein. Danach wartete er, bis sich der restliche Körper zeigte.
Aber so sparsam er auch mit seiner Munition war
— als es dämmerte, wurde sie langsam knapp. Als die Nacht hereinbrach, wurde es stiller im Feindeslager, aber immer noch war von Rückzug nichts zu hören. Er nahm an, daß sie sich deswegen nicht entschließen konnten, weil sie schon so weit gekommen waren. Jetzt umzukehren und es beim Khyber-Paß zu versuchen, würde sie Tage kosten und wahrscheinlich noch mehr Ausfälle.
Vermutlich würden sie im Schutz der Dunkelheit versuchen, zu ihm heraufzuklettern, doch die Nacht war klar, und der Mond schien hell, so daß der Pfad gut zu erkennen war. Nachdem er ein paar Männer erledigt hatte, die es versuchten, gaben sie auf.
Die schwierigste Zeit kam nach dem Monduntergang, als der Pfad nur noch vom Sternenlicht erhellt wurde. Ian stand auf seiner Felsnase und lauschte. Er wartete, bis sie gegen die erste Steinbarriere liefen. Ein Fluch wurde ausgestoßen, hastig unterdrückt, dann hörte er das Knirschen von Steinen, die geschoben wurden. Im Gefängnis hatten sich sein Gehör und seine Augen unheimlich geschärft, und er konnte ziemlich gut erkennen, welche Schatten zu einem Menschen gehörten. Er feuerte, jemand schrie auf. Nur durch Ertasten lud er nach, schoß wieder, dann noch einmal. Er wußte nicht, ob er noch einmal traf, aber der erste Tote hatte gereicht. Er hörte hastige, sich entfernende Schritte, dann verfluchte ihn jemand. Dennoch zogen sie sich noch immer nicht zurück.
In dieser Nacht passierte nichts mehr, trotzdem blieb er in Bereitschaft. Als es dämmerte, begann die Müdigkeit an seinen Kräften zu zehren. Die Frage, was ihm eher ausgehen würde — die Munition oder die Energie — blieb offen.
Er wartete, lauschte und aß Chapatis und eine Handvoll Rosinen. Immer noch hörte er menschliche Geräusche auf der anderen Seite der Schlucht, doch niemand ließ sich blicken. Sie planten etwas, dessen war er sich absolut sicher. Die Frage war nur, was?
Kuram erwies sich als exzellenter Führer. Laura schickte ein stilles Dankgebet zum Himmel. Mehr und mehr kam es ihr vor, als würde Gott sie und Ian beschützen - sie beide hatten zuviel Glück gehabt, als daß es noch Zufall sein konnte. Vielleicht war dies auch Iqbal, von dem Ian gesprochen hatte -vorbestimmtes Glück. Aber Laura war es im Endeffekt egal, woher Hilfe kam - Hauptsache, der Krieg konnte aufgehalten und ihr Mann, dafür betete sie, gerettet werden.
Bald nachdem sie am nächsten Morgen aufgebrochen waren, entdeckten sie in der Ferne eine Staubwolke. Kuram zügelte sein Pferd und versuchte angestrengt, etwas zu erkennen.
»Ist dies die Straße zum Khyber?« fragte Laura.
»Noch nicht. Das dort ist eine Gruppe Company-Ulanen. Ihre Verstärkung ist da, Lady Falkirk.«
Das war schneller, als sie sich erträumt hatte. Die
Weitere Kostenlose Bücher