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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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seine ebenso wahr. Hinter seiner kontrollierten Fassade war er voll Düsternis und zog sich oft in ein unerreichbares mentales Gebiet zurück. Sie machte sich Sorgen darüber, wie wenig er aß und schlief. Abends unterhielten sie sich, bis Laura die Müdigkeit überkam, aber er war stets noch wach, wenn sie zu Bett ging und immer schon auf, wenn sie erwachte. Es war schwer zu verstehen, wie er Leib und Seele zusammenhielt.
    Vielleicht war seine Schlaflosigkeit ansteckend, denn sie hatte inzwischen auch Schwierigkeiten mit dem Schlaf. Sie rollte sich im Bett umher und knuffte verwirrt und verärgert ihr Kissen. Obwohl Ian sie nicht attraktiv fand, war es umgekehrt absolut nicht der Fall. Als die Tage verstrichen, wurde ihr Interesse an ihm fast zu einer Verliebtheit. Sie sehnte sich nicht nur nach seiner Gegenwart, die leichteste Berührung von ihm ließ sie auch noch Sehnsucht nach mehr bekommen.
    Sie verachtete sich für ihre Schwäche. In dem Wissen, daß sie etwas anstellen konnte, was für beide entsetzlich peinlich werden könnte, hielt sie Distanz zu ihm. Sie bestieg ihr Pferd und saß ab, ohne sich von ihm helfen zu lassen, und sie wurde zum Experten, wenn es darum ging, ihm einen Becher zu reichen, ohne seine Finger zu berühren. Sie nahm auch nicht mehr seinen Arm, wenn sie zu Fuß die Gegend erforschten. Zum Glück bemerkte Ian nicht, daß sich ihr Verhalten geändert hatte. Sie hätte sich gedemütigt gefühlt, wenn er geahnt hätte, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte.
    Laura wußte durchaus, daß ihr Interesse zum Teil aus der Nähe zu ihm resultierte, denn ihre Sinnlichkeit ließ sie Männer immer sehr intensiv wahrnehmen. Doch Ian selbst war das wirkliche Problem; diese Kombination von Freundlichkeit und Geheimnis zog sie an wie Baldrian die Katze. Sie wollte ihm helfen, wieder zu dem Mann zu werden, der er war, bevor er eine Hölle durchschritten hatte, die sie nur in Ansätzen begreifen konnte. Sie wollte ihn lachen sehen, wie Pjotr ihn hatte lachen sehen.
    Und in einem Anfall von Ehrlichkeit sah sie den Tatsachen ins Gesicht: Sie wollte mit ihm schlafen.
    Sie beschwor sein Abbild vor ihrem inneren Auge herauf. Er war nicht gerade das, was man gutaussehend bezeichnen würde, denn diese Bezeichnung paßte besser zu den langweiligen Männern, die in einen Salon gehörten. Obwohl sie sicher war, daß Ian in der konventionellen Gesellschaft seinen Platz behaupten konnte, hatte er etwas an sich, das mehr in die Welt heldenhafter Abenteuer gehörte. Wenn eine Prinzessin gerettet oder ein Drache getötet werden mußte, hätte sie sich für die Aufgabe niemand geeigneteren vorstellen können. Obwohl sie keine Prinzessin war, hatte er, was den Tiger betraf, bewundernswerte Arbeit geleistet. Sie beobachtete ihn, wann immer sie konnte, studierte seine Kraft, seine kontrollierten, geschmeidigen Bewegungen...
    Sie spürte, daß sie rot wurde. Sie hatte wirklich zuviel von ihrer Mutter in sich. Seufzend rollte sie sich einmal mehr herum und versuchte sich davon zu überzeugen, daß sie froh sein konnte, Ian bald nicht mehr um sich zu haben. Wenn er fort war, würde sie wieder zu einer wohlerzogenen englischen Lady werden. Wenn sie sich bemühte, ihre Sinnlichkeit in Grenzen zu halten, dann würde es ihr vielleicht sogar gelingen, auch in den kommenden Jahren keine Närrin aus sich zu machen.
    Der Gedanke war allerdings kein großer Trost.
    Endlich schlief sie, müde von dem langen Tag zu Pferd, ein, wurde jedoch bald wieder von einem würgenden Geräusch außerhalb ihres Zeltes gestört. Sie wurde mit einem Schlag hellwach, und als sich das Geräusch wiederholte, erkannte sie, daß es aus einer menschlichen Kehle kam. Rasch zog sie sich Morgenmantel und Slipper über und ging hinaus.
    Der Laut kam, wie sie feststellte, aus dem Zelt neben ihrem. Ian benutzte es, seit der Regen ihn von seinem Lieblingsplatz unter offenem Himmel vertrieben hatte. Laura kratzte an die Türklappe des Zeltes. »Ian, ist alles in Ordnung?«
    Als keine Antwort kam, schob sie ihr damenhaftes Schamgefühl beiseite, öffnete die Klappe und duckte sich hindurch. Im schummrigen Licht sah sie Ian ausgestreckt auf seinem Feldbett liegen, sein nackter Oberkörper glänzte vor Schweiß. Sie war erstaunt, daß er auch im Schlaf seine Augenklappe trug.
    Sein Zustand erinnerte sie erschreckend an die letzten Stunden ihres kranken Stiefvaters. Rasch eilte sie zu ihm und legte ihm die Hand auf die Stirn, aber seine Temperatur war normal. Ian

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