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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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zuckte unter ihrer Berührung zusammen und öffnete das Auge. Einen Sekundenbruchteil entdeckte sie ein wildes, panisches Funkeln in den blauen Tiefen, dann erkannte er sie und schottete sich augenblicklich nach außen hin ab.
    »Ich habe merkwürdige Geräusche gehört und dachte, Sie wären vielleicht krank. Die Lampe brannte«, erklärte Laura, um ihn zu beruhigen. Sie zog ihre Hand weg und fügte hinzu: »Aber Sie scheinen kein Fieber zu haben.«
    Die Haut über seinen Wangenknochen spannte sich. »Ich bin nicht krank. Ich habe nur schlecht geträumt. Endlose Finsternis, Ersticken, Furcht, Schmerz, Feigheit. Und Feuer. Das Feuer nicht zu vergessen.« Er schauderte. »Das übliche.« Sein Blick wanderte zu der Öllampe auf dem Tisch. »Einige Monate in absoluter Dunkelheit zu verbringen, hat meine Vorliebe für Licht erhöht. Deswegen schlafe ich mit einer Kerze oder Lampe, wenn ich mich unter einem Dach befinde.«
    Laura vermutete, daß Ian durch seinen Traum noch verwirrt war, ansonsten hätte er niemals so viel verraten. Einen kurzen Augenblick wunderte sie sich über die Erwähnung eines Feuers, da sie doch eben erst die Eintragung in Pjotrs Tagebuch über ein mysteriöses Feuer gelesen hatte. Vielleicht würde sie später Ian darauf ansprechen, jetzt schob sie den Gedanken beiseite. Es war wichtiger, wie Ian sich in diesem Moment fühlte.
    Sie setzte sich auf die Kante des Feldbetts und nahm sein Handgelenk. Sein ganzer Körper vibrierte angespannt, und wie sie erwartet hatte, hämmerte sein Puls wild. »Wollen Sie mir mehr erzählen? Ich bin eine Art Experte, was schlechte Träume betrifft.«
    Er atmete bebend aus. »Im Gefängnis habe ich den Schlaf willkommen geheißen, denn er war die einzige Möglichkeit zur Flucht. Ich träumte von meiner Kindheit in Schottland und Persien, von meiner Familie, meinen Freunden. Schwierig war nur, wieder aufzuwachen, denn die Realität war scheußlicher als jeder Alptraum, besonders nachdem Pjotr Andrejewitsch fort war.« Er fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs schweißnasse Haar. »Ironie des Schicksals. Nun, da ich frei bin, träume ich von der Gefangenschaft. Von Tod und Verfall und Verrat...« Seine Stimme verebbte.
    »Ich verstehe jetzt, warum Sie es vorziehen, nicht zu schlafen«, sagte Laura knapp. »Aber auch die Träume werden mit der Zeit schwächer werden.«
    Er warf ihr einen sardonischen Blick zu. »Ist es Ihnen so ergangen? Sie meinten doch, Sie wären eine Expertin für schlechte Träume.«
    Sie zögerte, denn sie konnte ihm das nicht direkt bestätigen. »Ich habe jedenfalls nicht mehr so oft welche.«
    »Ich nehme an, darauf kann ich mich freuen«, murmelte er unbeeindruckt. Dann runzelte er die Stirn. »Was verfolgt denn Sie des Nachts, Larissa Alexandrowna?«
    Sie sog scharf die Luft ein, denn die Tatsache, daß er ihren Vaternamen benutzte, paßte bestens zu der russischen Szenerie ihrer Alpträume. »Nichts, was interessant ist«, sagte sie ausweichend. »Nur ein paar von weniger angenehmen Kindheitserinnerungen.«
    Ian akzeptierte die Antwort. Sie waren Freunde, ja, aber einander noch nicht nah genug, um ihre Alpträume zu teilen.
    Um das Thema zu wechseln, sagte er: »Es kommt mir etwas zu spät in den Sinn, daß eine unverheiratete Frau nicht auf dem Bett eines Mannes sitzen sollte. Es sei denn, in den letzten beiden Jahren hätten sich die gesellschaftlichen Gepflogenheiten grundlegend geändert.«
    Erst jetzt bemerkte Laura, wie unschicklich die
    Situation tatsächlich war. Ihr Blick fiel auf Ians nackte Brust mit den dichten schwarzen Haaren und den sichtbaren Muskelsträngen darunter, dann sah sie hastig weg. Von seiner Seite aus war nichts von begehrlichen Gedanken zu spüren, aber ihre eigenen Gefühle waren sicher nicht mehr zu übersehen. Mit fest ineinander verschlungenen Fingern sprang sie auf die Füße. »Ich schätze, in London ist alles züchtig und streng wie immer, aber einer der wundervollen Aspekte, hier in Indien zu leben, ist der, daß die Regeln nicht ganz so hart sind. Soll die Schicklichkeit sich doch hinter der Vernunft einordnen. Sie werden mich nicht vergewaltigen, nur weil wir allein sind, und ich werde nicht in Ohnmacht fallen, weil Sie kein Hemd tragen.«
    »Wie wahr.« Sein Mund verzog sich mit überraschender Bitterkeit. »Sie sind bei mir absolut sicher.«
    Sie wußte es — und sie bedauerte diese Tatsache genauso sehr, wie sie froh darüber war. Mit absichtlich sanfter Stimme sagte sie: »Versuchen Sie, ein wenig

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