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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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gefoltert worden«, hielt sie dagegen. »Depressionen, Schwermut... das ist nicht gerade selten, wissen Sie. Der Vater meines Vaters hat schwer darunter gelitten. Er konnte tagelang im Bett bleiben. Und wenn er dann doch einmal aufstand, wandelte er umher wie ein leerer Körper, der seine Seele sucht. Doch die Finsternis ging stets vorüber, und dann konnte ihn niemand in seiner guten Laune übertreffen. In Ihrem Fall rührt die Schwermut gewiß von Ihren schrecklichen Erfahrungen her.
    Wenn sie geht, kommt sie wahrscheinlich niemals wieder.«
    Sie zupfte nachdenklich mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. »Wenn Sie in Ihrer Vergangenheit niemals trübsinnig gewesen sind, dann trifft eine Depression Sie nur um so härter, weil der Zustand Ihnen nicht vertraut ist. Mein Großvater erzählte mir, der erste böse Anfall sei der allerschlimmste gewesen, denn er fürchtete, es würde niemals aufhören. Mit der Zeit fiel es ihm immer leichter, seine Stimmung ein wenig zu kontrollieren.«
    Ian ließ ihre Worte in sich einsinken. Sowohl Juliet als auch David hatten zu Geduld geraten und gesagt, daß sich alles bessern würde. Laura ging einen Schritt weiter — sie nannte seinen Zustand beim Namen und machte ihn dadurch begreifbarer. Vielleicht war er doch nicht auf ewig verdammt.
    Schwermut. Bevor er nach Buchara reiste, hatte er niemals wirklich glauben können, daß man unter so etwas leiden konnte, denn er war von Natur aus unbeschwert und fröhlich gewesen. Er hatte stets den Verdacht, daß Menschen, die behaupteten, sie würden unter Depressionen leiden, nur weinerlich und voller Selbstmitleid waren. Aber wenn es stimmte, daß nun auch er darunter litt, dann würde er in Zukunft mit solchen Personen weit mehr Mitgefühl empfinden. »Ich hoffe, Sie haben recht. Aber wenn Sie recht haben und meine Stimmung sich mit der Zeit hebt, dann könnte ich ein ganz anderer Mann werden als der, den zu heiraten Sie nun erwägen.«
    »Jeder Mensch verändert sich, Ian. Ich mag Sie sehr, so wie Sie sind — wenn Sie wieder lernen, wie man lacht, dann werde ich Sie bestimmt nur noch mehr mögen. Soweit zum Thema Schwermut.« Sie machte eine wegwerfende Geste, um das Thema zu beenden. »Sind Sie ein umgänglicher Mensch?«
    Verdutzt durch ihren abrupten Themenwechsel, antwortete er vorsichtig: »Ich denke nicht. Wie definieren Sie umgänglich?«
    »Im klassischen Sinn des Wortes. Die Fähigkeit, die Wünsche anderer zu akzeptieren«, erklärte sie. »Meine Mutter meinte einmal zu mir, daß die beste Ehe die von zwei Menschen ist, die beide nicht immer darauf bestehen, ihren Kopf durchzusetzen. Wenn zwei sich über eine Sache uneins sind, dann sollte der, dem am Ergebnis am meisten liegt, seinen Willen bekommen, und der andere sollte dies ohne Streit zugestehen können.«
    Fasziniert sah er sie an. »Ihre Mutter scheint eine kluge Frau gewesen zu sein«, sagte er. »Aber was ist, wenn beide Partner sehr viel Wert auf die zu entscheidende Sache legen?«
    »Dann zanken sie sich«, erwiderte sie augenzwinkernd. »Aber ich bin ein umgänglicher Mensch -meistens jedenfalls, und Sie scheinen mir ähnlich zu sein. Ich glaube nicht, daß wir uns oft streiten müssen.«
    Ian dachte an seine eigenen Eltern. Sein Vater hatte immer seinen Kopf durchsetzen müssen, egal wie wichtig oder unwichtig die Sache war, und seine Mutter hatte stets klein beigegeben. Es hatte Ian nicht gewundert, daß seine Schwester Juliet die Unterwürfigkeit ihrer Mutter so verabscheute, daß sie sich zur Rebellion entschloß. »Ich nehme an, ich bin in diesem Sinne sehr umgänglich, wenn auch nicht immer in anderer Hinsicht.«
    »Sehr schön.« Sie legte den Kopf schief. »Haben
    Sie noch andere finstere Geheimnisse zu enthüllen?«
    »Noch eines, und das könnte das übelste sein«, antwortete er mit etwas bitterem Humor. »Die Lords of Falkirk waren jahrhundertelang Strandpiraten, daher ist der Familiensitz auf Verteidigung, nicht auf Bequemlichkeit hin gebaut worden. Das Anwesen ist eines von diesen düsteren mittelalterlichen Burgen mit meterdicken Mauern, geschwärzten Kaminen und alten Rüstungen, die in dunklen Ecken lauern.«
    »Geister?« fragte sie hoffnungsvoll.
    »Drei oder vier, aber ein harmloser Haufen. Viel schlimmer ist die Zugluft. Wenn der Wind aus dem Norden bläst, könnten einem Steinelefanten die Ohren abfrieren.«
    »Sie sollten solche Dinge nicht vor unserem Freund Ganesha aussprechen«, sagte sie gespielt vorwurfsvoll. »Und glauben Sie ja nicht,

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