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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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er einen leisen überraschten Pfiff aus, der laut zurückgeworfen wurde, wie von den Wänden eines gewaltigen Raumes.
    Laura folgte ihm mit der Lampe in der Rechten, dem Gewehr in der Linken. Der Eingang war ein Dutzend Schritte lang und führte in einem überraschend gleichmäßigen Bogen nach links. Durch die Krümmung wurde das natürliche Licht ausgeschlossen , so daß ihre Laternen die einzige Beleuchtung waren, als sie den Raum betrat. Aber dieses reichte aus, um ihr einen Anblick zu gewähren, der ihr vor Überraschung den Atem stocken ließ.
    Es war keine Höhle, die sie entdeckt hatten. Es war ein Tempel.

Kapitel 12
    Begeistert und staunend ging Laura langsam im Kreis herum. Der Raum war gut zwanzig Fuß breit und doppelt so lang, und die Decke wölbte sich ein gutes Stück über ihren Köpfen. Eine Doppelreihe kunstvoll filigran gemeißelter Säulen lief die ganze Länge des Tempels entlang. Das entfernte Ende lag im Dunkeln, aber man konnte die Konturen einer Statue erkennen, die überlebensgroß war. Jeder Zentimeter der Wände war mit Bildern bedeckt, die selbst im Lampenlicht in lebhaften Farben leuchteten. »Wundervoll«, hauchte sie. »Wie alt das hier wohl ist?«
    »Tausend Jahre? Zweitausend? Wer weiß. Wahrscheinlich ist der Tempel seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt worden, aber trotz allem hervorragend erhalten.« Mit hocherhobener Lampe begann Ian langsam den ganzen Raum abzugehen. »Es könnte zuerst eine natürliche Höhle gewesen sein, aber dann ist gewaltig viel Arbeit aufgewendet worden, um die Wände zu glätten und den Raum nutzbar zu machen.«
    »Meinst du, wir finden einen sagenumwobenen Rubin im Nabel einer massiven Goldstatue?«
    »Das bezweifle ich. Die wirklich reichen Tempel sind berühmte Pilgerstätten, während dieser Schrein hier wohl nur von einer kleinen Gruppe Menschen aufgesucht worden ist. Benutzt, dann verlassen, aber nicht, bevor die Gläubigen den Eingang versiegelt haben. Zumindest vermute ich das.« Ian musterte die Abbildung eines Mannes, der mit einer Schlange rang. »Selbst wenn es hier Reichtümer gäbe, würde ich sie nicht anrühren. Es bringt Unglück, etwas aus einem Tempel zu stehlen, selbst wenn er verlassen wurde.«
    »Du hast natürlich recht«, sagte sie reumütig. »Aber es kommt mir dennoch wie ein herrliches Abenteuer vor. Kannst du erkennen, wem der Tempel gewidmet ist?«
    Ian hob die Lampe und deutete auf die Statue, die eine Gottheit zeigte, die in einem Ring aus Feuer tanzte. »Shiva in seiner Erscheinung als Nataraja, Herr des Tanzes. Er symbolisiert den endlosen Kreis des Lebens — Erschaffung, Bewahrung, Zerstörung, dann Wiedergeburt.«
    Laura starrte fasziniert auf das Abbild des Gottes. Mit geschmeidigen Gliedern und feierlicher Miene stand der vierarmige Gott perfekt ausbalanciert auf einem Bein, das andere für immer und ewig für den nächsten Schritt seines Tanzes angehoben. Auch ohne Ians Erklärung hätte der Anblick sie zutiefst berührt. Der Tempel und die Statue waren mehr als nur schön — sie verursachten im Betrachter auch die ehrfurchtsvolle Sehnsucht, die Laura von christlichen Kirchen kannte.
    Als sie auf die Figur zuzugehen begann, entdeckte sie eine Türöffnung hinter einer Säule zu ihrer Rechten. Neugierig trat sie hindurch und fand sich in einer viel kleineren Kapelle wieder. Statt Malereien waren die Wände komplett mit Schnitzereien bedeckt. Menschengruppen und abstrakte Muster und Ornamente verbanden sich zu einem Bild von verwirrender Fülle.
    Laura brauchte einen Moment, um von der Gesamtheit zu den Einzelheiten durchzudringen. Und als sie diese erkannte, durchdrang der Schock sie wie ein glühender Blitz. Die Flinte rutschte ihr aus den gefühllosen Fingern und fiel mit einem metallischen Klappern auf den Steinboden. Sie konnte gerade noch die Lampe festhalten und rang nach Luft. »Gütiger Himmel!«
    Die exquisit geschnitzten Gestalten waren in etwas verwoben, das man gemeinhin als obszöne Stellungen bezeichnen würde. In dem flackernden Lampenlicht schienen sie biegsam und lebendig, und ihre Aktivitäten überließen nichts - absolut gar nichts - der Phantasie.
    Beim Geräusch der fallenden Flinte rief Ian scharf: »Laura! Ist alles in Ordnung?«
    Sie wollte antworten, bekam aber keinen Laut heraus. Einen Augenblick später tauchte Ian schon mit dem Revolver in der Hand im Eingang auf. Dann erstarrte er, als sein Blick von Laura zu den Wänden und dann wieder zu Laura zurück glitt. »Verdammt!«
    Laura

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