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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Nirgendwo mehr gab es Halt, Staub und Kiesel regneten auf uns herab. Heilige Mutter Gottes, wenn man der Erde nicht trauen kann, wem dann noch? Ich war sicher, die Mauern würden einstürzen und uns unter sich begraben -einer der schlimmsten Momente in meinem sündigen Leben.
    Weiß nicht recht, wie es geschah, aber als das Beben aufhörte, knieten Ian und ich in der Mitte unserer Zelle und hatten die Arme umeinander geschlungen - ich schrie Gebete in Russisch, und Ian fluchte auf englisch. Was sind wir doch für tapfere Offiziere! Ich kam mir wie ein Narr vor, aber Ian setzte sich auf seine Fersen zurück und begann zu lachen, daß ich einfach mitlachen mußte. Nach so etwas kann man schlecht noch aufeinander böse sein.
    Laura mußte wieder lächeln. Der trockene Humor ihres Onkels konnte nicht über den Schrecken hinwegtäuschen, den das Erdbeben den beiden Männern eingejagt hatte, oder das komplizierte Band zwischen ihnen verschleiern, das sich immer mehr festigte.
    Sie blickte auf und sah Ian herankommen. »Wir sollten weiter, Lady Falkirk.« Als sie aufstand, setzte er hinzu: »Worüber lächelst du?«
    »Ich habe gerade von einem Erdbeben gelesen, als ihr beide glaubtet, der Kerker würde einstürzen«, erklärte sie, als sie die Bibel in ihre Satteltasche steckte. »Pjotr beschreibt, wie es eine angespannte Phase zwischen euch beendete.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, daß dieses Ereignis ihm oder mir irgendwelche Vorteile brachte«, erwiderte er trocken. »Aber es stimmt - danach hatten wir keine Probleme mehr, miteinander auszukommen.«
    »Eigentlich fand ich die Geschichte besonders nett.« Mit Ians Hilfe stieg sie auf und lächelte dann zu ihm hinunter. »Aber weißt du, was Pjotr gänzlich von deinem edlen Charakter überzeugte?«
    Ian schwang sich in den Sattel. »Nein. Was denn?« »Du hast ihm den Tabaksbeutel und die Pfeife, die du bei dir hattest, als du gefangengenommen wurdest, geschenkt, und Pjotr konnte gar nicht aufhören, deine Großzügigkeit zu preisen.«
    Ian zuckte die Schultern. »Ich rauche selten, und es war klar, daß er von dem Tabak mehr haben würde als ich. Er streckte ihn über Monate. Allerdings konnte er nur rauchen, wenn eine freundliche Wache die Pfeife für ihn anzündete.«
    »Für dich hat es vielleicht nicht viel bedeutet, für ihn aber sehr wohl«, meinte sie, als sie ihre Tiere antrieben. Das Packpferd trottete hinter Ian her.
    Ian wollte das Thema wechseln. »Du brauchst ein wenig Übung beim Schießen - heute abend, wenn es nicht zu spät wird. Wahrscheinlich wirst du kein zweites Mal von einem Tiger angegriffen, aber du könntest besser auf Situationen wie diese vorbereitet sein.«
    Laura zog ein Gesicht. »Ich mag keine Waffen.«
    »Das hat nichts damit zu tun, ob man sie mag - es ist einfach eine Sicherheitsmaßnahme.«
    »Aber es ist doch wirklich nicht nötig«, warf sie ein. »In wenigen Wochen sind wir auf dem Weg nach England.«
    »Was bedeutet, wir sind noch ein paar Wochen hier in Indien«, erwiderte er geduldig. »Ich nehme zwar auch nicht an, daß wir in irgendeinen Ärger hineingeraten, aber man kann nie sagen, ob man nicht doch einmal eine Waffe braucht. Wenn etwas passiert und du dich verteidigen mußt, solltest du es wirksam tun können.«
    Sie warf ihm einen wenig begeisterten Blick zu. »Wenn ich besser schießen könnte, würde dein Kopf wahrscheinlich als Jagdtrophäe an irgendeiner Wand hängen.«
    Er grinste. »Deine erste Lektion wird darin bestehen, zu lernen, wie man das richtige Ziel ausmacht.«
    Sie seufzte. Ihr Mann hatte genau den Gesichtsausdruck, den Männer oft haben, wenn sie behaupten, sie handelten nur zum Besten des anderen. Wie auch immer — sie war gut darin, jemanden von einem Vorhaben abzubringen. Bestimmt konnte sie die Schießübungen umgehen, bis sie Bombay erreicht hatten. Sie sah sich suchend nach etwas um, das interessant genug war, um einen Themawechsel zu rechtfertigen.
    Ian hatte diese abgelegene, wenig frequentierte Straße gewählt, weil sie durch eine eindrucksvolle Landschaft führte. Im Augenblick ritten sie durch ein schmales, waldiges Tal, das von aufragenden Felsen flankiert wurde. Lauras müßiger Blick folgte dem Flug eines Falken. Als der Raubvogel einen der Felsen erreichte, erwartete sie, daß er abdrehen würde, aber plötzlich war er verschwunden. »Das ist merkwürdig«, sagte sie. »Ein Falke ist direkt in den Felsen geflogen.«
    Ians Blick folgte ihrem ausgestreckten Finger. »Vielleicht gibt es

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