Indische Naechte
bist, dann bin ich es als deine Frau für deine Gesundheit. Ich versuche es mit dem Gewehr, wenn du mir versprichst, mehr zu essen.«
Verwirrt erwiderte Ian: »Ich esse soviel, wie ich mag. Warum soll ich mich zwangsernähren?«
Mit katzenhafter Geschmeidigkeit kam Laura auf die Füße. »Weil du zu dünn bist und nicht genug zu dir nimmst. Ein Murmeltier könnte damit nicht am Leben bleiben.« Sie piekte ihm einen Finger in die Rippen. »Aus dem lockeren Sitz deiner Kleidung kann man schließen, daß du mal etwas mehr Fleisch auf deinen Knochen gehabt hast, bevor du zu einer Vogelscheuche abgemagert bist. Dein Erscheinungsbild zollt mir nicht gerade Lob. Die Leute müssen ja denken, daß ich entweder eine ganz üble Hausfrau bin, oder daß unsere Ehe dich durch pures Elend dahinsiechen läßt.«
»Wenn du mich jetzt für dünn hältst, hättest du mich mal sehen sollen, als ich gerade aus dem Gefängnis kam«, erwiderte er etwas verärgert. »Ich bin kerngesund.«
Laura gab ihre Neckerei auf und wurde ernst. »Ian, wenn mein Großvater in dieser Hinsicht ein Vorbild war, dann ist Appetitlosigkeit auch ein Anzeichen von Depressionen. Wenn er einen Anfall hatte, hörte er zuerst einmal auf zu essen, und ich bin überzeugt davon, daß seine Stimmung sich verschlechterte, wenn er halb verhungert war. Wenn du dich anständig ernährst, wird dein Körper es dir danken, was durchaus helfen könnte, deine finsteren Stimmungen zu vertreiben.«
Ian unterdrückte seinen Ärger und gab sich Mühe, über Lauras Theorie nachzudenken. Es stimmte schon, daß er viel weniger aß als früher, denn auch Essen gehörte zu den Dingen, die er nicht mehr genießen konnte. Vielleicht hatte seine Frau recht, und bessere Ernährung trug tatsächlich zu einer besseren
Stimmung bei. »Also gut, wir machen den Handel. Ich esse mehr, und du arbeitest daran, deine Schießkünste zu trainieren.«
Laura kniete sich hin, nahm ein Chapati, tat den Rest des Currys, das sie zum Mittag gegessen hatten, darauf und rollte es zusammen. »Hier ist noch ein Happen für dich. Und wo soll ich meine erste Lektion erhalten?«
»Ein Stück abseits von der Straße habe ich einen guten Platz entdeckt. Da ist Schatten gegen die Sonne und ein Erdwall, um verirrte Kugeln aufzufangen.« Er biß mit wenig Begeisterung in sein Chapati. »Willst du die Flinte nehmen oder den Vorderlader deines Vaters?«
»Letzteres. Damit bin ich einigermaßen vertraut.«
Ian nahm beide Waffen und Munition und ging zu dem Platz voraus, den er ausgesucht hatte, während er noch an seinem Chapati herumkaute. Stroh hätte genauso aufregend geschmeckt, aber schließlich würde es ihm nicht schaden, mehr zu essen. Nachdem er den letzten Bissen hinuntergewürgt hatte, fragte er: »Sehe ich wirklich so furchtbar aus?«
Ein amüsiertes Funkeln zeigte sich in den Augen seiner Frau. »Für eine Vogelscheuche bist du recht attraktiv.« Sie schob eine Hand durch seine Armbeuge. »Leg ein paar Pfund zu, und du wirst umwerfend sein.«
Er grinste, dann zog er ein Stück Papier aus seiner Tasche, denn sie hatten nun ihren improvisierten Schießstand erreicht. Er steckte das Papier auf einen trockenen Ast, der aus einem toten Baum ragte, dann ging er zwanzig Schritt zurück. »Wenn du den Zettel beim ersten Mal triffst, ist die Lektion vorbei, bevor sie begonnen hat.«
Mit zusammengepreßten Lippen wischte sie ihre Handflächen an ihrem Rock ab. Sie nahm ihm die Flinte aus der Hand, lud sie ungeschickt und entsicherte sie. Unter seinem ermutigenden Blick hob sie die Waffe und schoß. Das Krachen des Schusses scheuchte einen Schwarm erschreckter Vögel auf.
Ian sah, wie der Schuß gründlich danebenging, und war froh, daß der Erdwall breit genug war, um irgendwelchen Schaden zu verhindern. Bei diesen Schießkünsten wunderte es ihn überhaupt nicht, daß sie nichts treffen konnte, aber er ließ sich nicht beirren. Was zählte, war, daß sie begonnen hatte, es ernsthaft zu versuchen. »Sehr gut. Jetzt lad nach und nimm wieder die richtige Position ein, aber feure noch nicht. Ich will dir ein paar Tricks zeigen.«
Sie gehorchte mit totenbleichem Gesicht, doch grimmig entschlossen, diese Sache durchzuziehen. Sie lud nach, dann hob sie das Gewehr und stellte sich in Position. Der Lauf schwankte hin und her.
Ian trat hinter sie und legte seine Arme um sie herum, so daß seine Hände über ihren lagen. Er richtete die Flinte aus. »Ruhig. Bleib locker. Du bist gespannt wie ein Bogen, deswegen
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