Individuum und Massenschicksal
Familienlebens. Tiere haben im Alter ihre eigene Würde; und ebenso sollte es sich doch mit alten Menschen verhalten. Senilität ist eine unnötige mentale und psychische Seuche. Man wird davon »befallen«, weil man, wenn man jung ist, glaubt, daß alte Menschen zu nichts mehr taugen. Und da es keine Schutzimpfungen gegen Glaubensüberzeugungen gibt, werden junge Menschen, wenn sie alt werden, zu »Opfern« der eigenen Einstellung.*
* Seth hat sicher recht, wenn er sagt, daß »Senilität eine körperliche und mentale Seuche« sei, wenn man bedenkt, daß schon Millionen Menschen darunter gelitten haben und daran gestorben sind. Ich mußte mitansehen, wie mein Vater von Senilität allmählich zugrundegerichtet wurde; er starb im November 1971 im Alter von 81 Jahren.
Natürlich können die Glaubenssätze, die man sich in jungen Jahren erworben hat, geändert werden; und nach Seth (und auch Janes und meiner Ansicht nach) wäre dieser Veränderungsprozeß die beste »Schutzimpfung«
gegen Senilität. Während ich mitansehen mußte, wie mein Vater alt und hinfällig wurde und sein Gedächtnis verlor, fragte ich mich immer wieder, warum er nicht bewußt und willentlich seine Ansprechbarkeit für das Leben einer Revision unterzog - und warum ich nie ein Anzeichen dafür entdeckte, daß er es überhaupt wünschte. Ich hatte das deutliche Gefühl, daß es ihm möglich gewesen wäre, seine Glaubenssätze in bezug auf das Leben zu revidieren und daß ihm das großen Gewinn gebracht hätte. Und es war auch nicht einfach mein Wunschdenken, das mir eingab, er möge sich ändern, nur um mir angesichts seines fortschreitenden Verfalls den Schmerz zu ersparen. Der freiwillige Rückzug meines Vaters aus der Welt und dem Leben lag für alle klar zutage. Jane und ich und andere Familienmitglieder mußten aber diesem fortschreitenden Verfallsprozeß mehr oder weniger untätig zusehen, da wir nicht wußten, was wir hätten tun können.
Nun wird neuerdings in medizinischen Kreisen davon gesprochen, daß viele Fälle von Senilität durch eine »langsame Virusinfektion« und nicht nur durch den herkömmlichen Alterungsprozeß und das Nachlassen der Gehirnfunktionen verursacht sein sollen. Man hofft aufgrund der bis anhin unbewiesenen Spekulation, daß derartige Infektionen eines Tages medikamentös behandelt werden könnten. Wie dem auch sei, ob nun Senilität durch den Alterungsprozeß oder durch Infektion bewirkt wird, entscheidend sind wiederum die Glaubensüberzeugungen, die entweder den Körper befähigen, bis weit ins hohe Alter gesund zu funktionieren, oder aber ihn veranlassen, ohne Not hinfällig zu werden.
Während ich diese Fußnote niederschrieb, wies Jane darauf hin, daß ein Teil meiner Ausführungen in der ersten Fußnote zur Sitzung 803 hierher paßt.
Natürlich muß Senilität durch eine Kombination körperlicher und mentaler Übungen oder Techniken überwunden werden, wenn die Menschen wesentlich länger leben sollen.
Die Art der Krankheiten ändert sich im Laufe der Geschichte.
Manche kommen in Mode, andere veralten. Sämtliche Epidemien jedoch sind Massenkundgebungen biologischer und seelischer Natur. Sie verweisen euch auf die vorherrschenden Glaubensüberzeugungen ganzer Gruppen, ganzer Massen, welche zu materiellen Umständen geführt haben, die in jeder Hinsicht untragbar sind. Oft gehen sie mit Kriegen Hand in Hand. Es sind biologische Protestkundgebungen. (Lange Pause.) Wann immer die Lebensqualität durch die herrschenden Umstände bedroht ist, wird es zu einer solchen Massenkundgebung kommen. Die Lebensqualität darf ein gewisses Maß nicht unterschreiten, wenn die Individuen einer bestimmten Gattung oder Art - jeglicher Art sich entwickeln sollen. Für euch Menschen kommt aufgrund eurer spirituellen, mentalen und psychischen Fähigkeiten darüber hinaus eine weitere Dimension hinzu, die wiederum biologisch relevant ist.
Zum Beispiel muß es einfach die Freiheit geben, Ideen zum Ausdruck zu bringen, einen individuellen Spielraum innerhalb eines weltweit anerkannten sozialen und politischen Kontextes, der jedem einzelnen Individuum erlaubt, seine besonderen Fähigkeiten und Begabungen entfalten und damit seinen Beitrag für die Menschheit leisten zu können. Die Voraussetzung für ein solches Klima der Freiheit jedoch stellen so manche nicht allgemein akzeptierte Ideen dar - und doch ist die menschliche Natur so beschaffen, daß die biologische Bedeutung grundlegender Ideen nicht allzusehr vernachlässigt
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