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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Pinienkerne, Beeren und Wurzeln, die im Tal wuchsen und von denen sich Mensch und Pferd und Vieh ernährten. Das Häufchen Körner, das wir vor den Flammen gerettet hatten, säten wir aus, und konnten im Jahr darauf einige Scheffel Weizen ernten, die erneut gesät wurden, so daß wir bis zum dritten Jahr nicht einen Laib Brot backen konnten. Brot, diese Nahrung der Seele, ach, wie es uns fehlte! Als wir nichts mehr besaßen, was den Kaziken Vitacura zum Tauschen gereizt hätte, kehrte er uns den Rücken, und vorbei war es mit den Säcken voll Mais und Bohnen, die wir zuvor noch im guten bekommen hatten. Die Soldaten mußten zu Raubzügen in die benachbarten Dörfer aufbrechen, für ein paar Körner, für Federvieh, Decken und was immer sie finden konnten – wie Banditen.Den Quechuas von Vitacura mangelte es wohl nicht am Lebensnotwendigen, aber die chilenischen Indios verwüsteten ihre eigenen Äcker und wären auch Hungers gestorben, hätten sie uns dadurch vernichten können. Sie verließen ihre Dörfer und zerstreuten sich weiter im Süden. Das Tal, das einst vor Geschäftigkeit gebrodelt hatte, war von Frauen, Kindern und Alten entvölkert, nicht jedoch von Kriegern. Die Scharen des Michimalonko gönnten uns keine Ruhe, stets mußten wir auf der Hut sein, sie griffen an wie der Blitz und waren gleich darauf im Wald verschwunden. Sie steckten unsere Felder in Brand, töteten unsere Tiere, überfielen jeden, der ohne bewaffneten Begleitschutz war, hielten uns in den Mauern von Santiago gefangen. Ich weiß nicht, wie Michimalonko seine Mannen ernährte, denn die Indios bauten nichts mehr an. »Sie essen sehr wenig, mit ein paar Händen voll Getreide und Pinienkernen können sie Monate überstehen«, erklärte mir Felipe und meinte weiter, die Krieger trügen einen kleinen Beutel mit gerösteten Körnern um den Hals und hätten so Nahrung für eine Woche.
    Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit und nimmermüden Zuversicht hielt der Gouverneur die erschöpften und kranken Menschen zur Arbeit auf den Feldern an, zur Herstellung von Lehmziegeln, zum Bau der Wehrmauer und des Grabens rings um die Stadt, zur Übung an den Waffen und zu allerlei Beschäftigungen mehr, weil er meinte, Müßiggang sei der Moral abträglicher als Hunger. Er hatte recht damit. Niemand hätte diese trostlosen Jahre lebend überstanden, wäre ihm Zeit geblieben, über das eigene Los nachzusinnen, doch die blieb nicht, denn wir arbeiteten von früh bis in die Nacht hinein. Und wenn wir doch einmal etwas Zeit erübrigen konnten, dann beteten wir, was nie schaden kann. Ziegel um Ziegel wuchs die zwei Mann hohe Mauer rings um Santiago; Balken um Balken erstanden die Kirche und die Häuser neu. Stich um Stich flickten ich und die anderen Frauen die zerrissenen Kleider, die schonnicht mehr gewaschen wurden, damit sie im Wasser nicht zerfaserten. Einigermaßen anständig kleideten wir uns nur zu sehr besonderen Anlässen, die es auch gab, denn nicht alles war Mühsal: Wir begingen die religiösen Festtage, feierten Hochzeiten und zuweilen auch eine Taufe. Das Herz wurde einem schwer, wenn man die hohlwangigen Gesichter der Leute sah, ihre in Klauen verwandelten Hände, ihre Mutlosigkeit. Ich fiel völlig vom Fleisch; wenn ich auf dem Rücken lag, stachen meine Hüftknochen hervor, meine Rippen, die Schlüsselbeine, unter der dünnen Haut konnte ich meine inneren Organe ertasten. Nach außen hin wurde ich hart, mein Körper verdorrte, aber mein Herz war nie weicher gewesen. Ich empfand die Liebe einer Mutter für die unglücklichen Menschen dieser Stadt, im Traum waren meine Brüste prall von Milch, genug, um alle zu nähren. Es kam der Tag, da vergaß ich den Hunger, gewöhnte mich an dieses Gefühl der Leere und Leichtigkeit, das mir manchmal Wahnbilder schickte. Anders als einige Soldaten, die von nichts anderem sprachen, erschienen mir keine Spanferkel mit Apfel im Mund und Mohrrübe zwischen den Hinterschinken, sondern nebelverhangene Landschaften, in denen die Toten wandelten. Ich verstieg mich zu der Vorstellung, ich könnte unser Elend durch Reinlichkeit verbergen, denn Wasser gab es wahrlich genug. Also begann ich einen Feldzug gegen Flöhe, Läuse und Schmutz, aber dadurch wurden die Mäuse, Kakerlaken und anderen Krabbeltiere seltener, mit denen wir die Suppe anreicherten; wir ließen das Schrubben und Kehren wieder bleiben.
    Es ist ein eigentümlich Ding um den Hunger, er raubt einem alle Kraft, macht uns langsam und schwermütig, und doch

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