Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
befand sich auch mein Lehrer González de Marmolejo, der damals schon über sechzig war und es im Dienste des Allmächtigen auf unerfindliche Weise zu wahrem Vermögen gebracht hatte. Auch Frau Díaz reiste ab, eine spanische »Dame«, die einige Jahre zuvor an Bord eines Schiffs zu uns gekommen war. Von einer Dame hatte sie wenig, es war bekannt, daß unter den Frauenkleidern ein Mannsbild steckte. »Nun, Bällchen und Piripicho hat diese Doña zwischen den Beinen«, erzählte mir Catalina. »Was dir immer einfällt! Warum sollte ein Mann sich denn als Frau verkleiden?« »Nun, warum wohl, Mamita? Eben um den anderen Männern ein bißchen Geld abzunehmen«, klärte sie mich auf. Genug mit dem Klatsch.
Der große Tag kam, die Reisenden gingen an Bord und verstauten ihre gut vernagelten Truhen mit dem Gold sicher in den Kabinen, die man ihnen zugewiesen hatte. Doch da erschien Valdivia mit mehreren seiner Hauptleute und zahlreichen Bediensteten am Strand und lud zu einem Abschiedsessen mit köstlichen Fischen und Meeresfrüchten, die eben aus den Fluten geholt worden waren und mit edlen Tropfen aus dem Weinkeller des Gouverneurs begossen werden sollten. Über dem Sand wurden Sonnensegel aufgespannt, man tafelte fürstlich und verdrückte zu den bewegenden Abschiedsreden ein paar Tränen, vor allem die Dame mit dem Piripicho, die sehr rührselig und empfindsam war. Valdivia drängte darauf, daß die Siedler sich die mitgeführten Goldbeträge bescheinigen ließen, um etwaigen Zwistigkeiten vorzubeugen, und der weise Ratschlag fand allgemeine Zustimmung. Während der Sekretär nun penibel die Beträge, die ihm die Reisenden nannten, in seinem Buch notierte,kletterte Valdivia in das einzige vorhandene Boot und ließ sich von fünf kräftigen Matrosen zum Schiff rudern, wo er bereits von einigen seiner treusten Hauptleute erwartet wurde, mit denen er in Peru die Sache des Königs zu verteidigen gedachte. Als sie merkten, was vorging, brachen die gutgläubigen Reisewilligen am Strand in zorniges Geschrei aus, und einige versuchten gar, das Boot schwimmend einzuholen, aber der einzige, der nah herankam, erhielt einen Schlag mit dem Riemen, der ihm fast das Genick brach. Ich kann mir das Elend der Betrogenen vorstellen, als die Segel des Schiffs sich blähten und es mit all ihrer irdischen Habe nach Norden ihren Blicken entschwand.
Als stellvertretender Gouverneur mußte der ruppige Hauptmann Villagra – ein Haudegen, wie er im Buche stand – mit den wutentbrannten Siedlern am Strand fertig werden. Sein stämmiger Wuchs, das gerötete, zwischen den Schultern sitzende Gesicht, der barsche Ton und seine Hand am Heft des Degens sorgten für Ordnung. Er erklärte, Valdivia sei unterwegs nach Peru, um für den König zu kämpfen und Verstärkung für unsere chilenische Kolonie anzuwerben, und habe sich also gezwungen gesehen zu tun, was er getan hatte, doch werde jeder bis zur letzten Dublone durch die Einnahmen des Gouverneurs aus der Mine von Marga-Marga entschädigt. »Wer einverstanden ist, gut, und wer nicht, kriegt es mit mir zu tun«, schloß er. Beruhigt war dadurch niemand.
Ich kann verstehen, daß Pedro in diesem Betrug, der seinem rechtschaffenen Wesen von Grund auf widerstreben mußte, die einzige Möglichkeit sah, die Schwierigkeiten Chiles zu meistern. Er wog den Schaden, den er diesen sechzehn Unschuldigen zufügte, gegen die Notwendigkeit ab, die Eroberung voranzubringen, was Tausenden zugute kommen würde, und wählte letzteres. Hätte er meinen Rat hören wollen, ich hätte ihm zweifellos den Rücken gestärkt, auch wenn ich wohl einen vornehmeren Weg gefundenhätte, seine Entscheidung in die Tat umzusetzen – und außerdem wäre ich mit ihm gegangen –, aber er hatte nur wenige seiner Hauptleute in sein Vorhaben eingeweiht. Dachte er, ich würde meinen Mund nicht halten können und alles zunichte machen? Unmöglich, in unseren gemeinsamen Jahren hatte ich bewiesen, daß ich verschwiegen war und sein Leben und seine Interessen wild entschlossen verteidigte. Ich glaube vielmehr, daß er fürchtete, ich würde ihn zurückhalten wollen. Er nahm nur das Allernötigste mit, denn hätte er standesgemäß gepackt, hätte ich erraten, was er vorhatte. Ohne ein Wort des Abschieds ging er fort von mir wie viele Jahre zuvor Juan de Málaga.
Pedros falsches Spiel, denn um nichts anderes handelte es sich, wie hehr seine Motive auch sein mochten, war ein Geschenk des Himmels für Sancho de la Hoz, der ihn endlich
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