Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
eines handfesten Vergehens beschuldigen konnte: Valdivia war ein Betrüger, hatte seine eigenen Soldaten um die Früchte ihrer jahrelangen Mühen und Entbehrungen geprellt. Er verdiente den Tod.
Als ich erfuhr, daß Pedro fort war, fühlte ich mich weit schlimmer hintergangen als jeder der betrogenen Siedler. Zum ersten und letzten Mal in meinem Leben verlor ich meine Selbstbeherrschung. Den ganzen Tag schlug ich kurz und klein, was immer ich in die Finger bekam, und brüllte dabei vor Wut, er würde mich noch kennenlernen, mich, Inés Suárez, warf keiner weg wie einen alten Lumpen, ich war nicht umsonst die eigentliche Gouverneurin von Chile, und alle wüßten sehr wohl, was sie mir verdankten, was denn aus diesem Drecksnest geworden wäre ohne mich, ich hatte mit meinen eigenen Händen Wassergräben ausgehoben, mich um jeden Siechen und Verwundeten gekümmert, gesät, geerntet und dafür gesorgt, daß keiner Hungers starb, und obendrein hatte ich das Schwert geführt wie der tapferste Soldat, daß Pedro überhaupt noch lebte, verdankteer mir, ich hatte ihn geliebt und umhegt und froh gemacht, niemand kannte ihn wie ich oder würde seine Marotten ertragen wie ich, und so weiter und so fort die ganze Litanei, bis Catalina und die Mädchen mich ans Bett fesselten und gingen, um Hilfe zu holen. Ich warf mich wie besessen herum und versuchte freizukommen, während Juan de Málaga am Fußende des Bettes hockte und mich verhöhnte.
Wenig später erschien González de Marmolejo, der völlig am Boden war, denn er war der betagteste der Betrogenen und davon überzeugt, daß er sich von dem Verlust niemals würde erholen können. Tatsächlich wurde ihm das Verlorene schließlich mit Zinsen zurückerstattet, und als er Jahre später starb, war er der reichste Mann Chiles. Wie er das fertigbrachte? Ein Mysterium. Einen kleinen Anteil hatte wohl auch ich daran, denn er wurde mein Geschäftspartner beim Aufbau einer Pferdezucht, eine Idee, die mir seit unserem Aufbruch nach Chile im Kopf herumgespukt hatte. Jedenfalls kam der gute Mann an jenem Tag zu mir, um eine Teufelsaustreibung zu versuchen, als er jedoch begriff, daß mein Übel das der sitzengelassenen Geliebten war, beschränkte er sich darauf, mich mit Weihwasser zu besprengen und einige Ave-Marias zu beten, und brachte mich durch diese Behandlung wieder zu Verstand.
Am nächsten Morgen kam Cecilia vorbei. Sie hatte bereits mehrere Kinder geboren, aber weder die Schwangerschaften noch die Jahre hatten eine Spur an ihrer hoheitlichen Haltung und ihrem makellosen inkaischen Prinzessinnengesicht hinterlassen. Dank ihres Spionagetalents und ihrer Verbindung mit dem Profos Juan Gómez wußte sie selbst über das Bescheid, was sich in unserer Kolonie hinter geschlossenen Türen abspielte, und so war sie über meinen Tobsuchtsanfall vom Vortag bereits im Bilde. Sie fand mich im Bett, noch erschöpft vom gestrigen Ausbruch.
»Das wird Pedro mir büßen, Cecilia!« sagte ich anstelle eines Grußes.
»Ich bringe gute Neuigkeiten, Inés. Du mußt dich nicht rächen, das übernehmen schon andere für dich.«
»Was sagst du da?«
»Die Unzufriedenen, und davon gibt es viele in Santiago, wollen gegen Valdivia Anklage beim Königlichen Gerichtshof in Peru erheben. Falls er sein Leben nicht auf dem Richtplatz läßt, schmort er bis ans Ende seiner Tage im Kerker. Das nenn’ ich Glück für dich, Inés!«
»Dieser Sancho de la Hoz!« schrie ich und sprang aus dem Bett, um mich in Windeseile anzuziehen.
»Das hättest du nicht gedacht, daß dieser Nichtsnutz dir einmal einen solchen Gefallen tut, was? De la Hoz läßt ein Schreiben herumgehen, in dem Valdivias Absetzung verlangt wird, und etliche Bürger haben bereits unterzeichnet. Die meisten wollen ihn los sein und de la Hoz an seiner Stelle zum Gouverneur machen.«
»Gibt dieser Geck denn nie auf !« fauchte ich, meine Stiefeletten schnürend.
Es war erst einige Monate her, da hatte dieser durchtriebene Höfling Pedro erneut nach dem Leben getrachtet. Wie alle seine vorherigen Pläne war auch sein letzter reichlich pittoresk gewesen: De la Hoz tat, als wäre er sterbenskrank, legte sich ins Bett und ließ wissen, sein Ende sei nah und er wolle Freund wie Feind Lebewohl sagen, auch dem Gouverneur. Hinter einem Vorhang sollte einer seiner Spießgesellen stehen und Valdivia hinterrücks erdolchen, wenn der sich über das Lager des angeblich Sterbenden beugte, um dessen sieches Nuscheln zu verstehen. Daß de la Hoz einmal
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