Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
behaupten, daß unser Leben eitel Sonnenschein war, aber wir mußten nie wieder hungern, und selbst die Yanaconas setzten Speck an und wurden träge. Ernsthafte Schwierigkeiten hatten wir nicht, sieht man von der Rattenplage ab, die von den Machis der feindlichen Stämme mit Schwarzkünstlerei herbeigehext wurde, um uns Christenmenschen das Leben schwerzumachen. Wir konnten weder die Saatfelder noch unsere Speisekammern und Kleidertruhen schützen, die Ratten nagten alles an, was nicht aus Metall war. Cecilia kannte ein Mittel, das man in Peru in solchen Fällen anwandte: Bottiche, bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Über Nacht stellten wir in jedem Haus etliche auf, und am nächsten Morgen schwammen darin bis zu fünfhundert ertrunkene Ratten, aber die Plage wurden wir erst los, als Cecilia einen Quechuahexer fand, der den Fluch der chilenischen Machis zu bannen vermochte.
Valdivia forderte seine Soldaten auf, im Sinne des Königs nach ihren Ehefrauen in Spanien zu schicken, und einigetaten es auch, aber die meisten wohnten lieber etlichen jungen Indianerinnen bei als nur einer Spanierin in reifem Alter. In unserer Kolonie wurden unzählige Mischlingskinder geboren, die nicht wußten, wer ihr Vater war. Die Spanierinnen, die dem Ruf ihrer Ehemänner gefolgt waren, mußten fünfe gerade sein lassen und die Gegebenheiten hinnehmen, die sich auch nicht grundsätzlich von denen in Spanien unterschieden; noch heute ist es in Chile üblich, das Herrenhaus für die Ehefrau und die legitimen Kinder zu unterhalten, und daneben andere »kleine« Häuser für die Konkubinen und die Bastarde. Ich bin vermutlich die einzige, die ihrem Mann das nie hätte durchgehen lassen, auch wenn hinter meinem Rücken Dinge geschehen sein können, von denen ich nichts weiß.
Santiago wurde zur Hauptstadt von Chile erklärt. Die Bevölkerung wuchs, und wir fühlten uns sicher; die Krieger des Michimalonko hielten sich fern. Nun waren sogar Spazierfahrten in die Umgebung möglich, Landpartien und Jagdausflüge an den Ufern des Mapocho, die zuvor Feindesland gewesen waren. Wir legten Feiertage fest, an denen die Heiligen geehrt wurden, und andere, zu denen wir uns bei Musik und Tanz vergnügten und ganz Santiago auf den Beinen war, Spanier, Indios, Neger und Mischlinge. Es gab Hahnenkämpfe und Hunderennen, Bocciaturniere und Pelotawettkämpfe. Pedro spielte weiter leidenschaftlich gern Karten und lud wie früher Freunde dazu ein, nur daß es jetzt um phantastische Einsätze ging. Niemand besaß einen Maravedi, aber über die Schulden wurde mit Bankierspingeligkeit Buch geführt, obwohl niemand damit rechnete, sie je eintreiben zu können.
Mit den Schiffen nach Peru und Spanien konnten wir nun auch Briefe verschicken, die in nur einem oder zwei Jahren ihr Ziel erreichten. Pedro begann, lange Eingaben an Kaiser Karl V. zu verfassen, berichtete ihm von Chile, von den Entbehrungen, die wir auf uns genommenhatten, von seinen Ausgaben und Schulden, von seiner Form der Rechtsprechung, davon, daß sehr zu seinem Leidwesen viele Indios starben und Seelen für die Arbeit in den Minen und auf den Feldern fehlten. Nebenbei bat er um Pfründe, die zu gewähren ja Sache der Monarchen ist, erhielt aber auf seine berechtigten Bitten nie eine Antwort. Er wollte Soldaten, Siedler, Schiffe, eine Bestätigung seiner Befehlsgewalt, Anerkennung für seine Mühe. Mit Donnerstimme und herrischem Gestus las er mir vor, was er geschrieben hatte, schritt dabei mit stolzgeschwellter Brust im Raum auf und ab, und ich sagte keinen Ton; was hätte ich auch sagen sollen zu seiner Korrespondenz mit dem mächtigsten Herrscher der Erde, dem allergeheiligsten und allersiegreichsten Cäsar, wie er ihn nannte. Aber allmählich dämmerte mir, daß mein Geliebter sich verändert hatte, die Macht stieg ihm zu Kopf, er trug die Nase sehr hoch. In den Briefen erwähnte er sagenhafte Goldminen, die eher Ausgeburten der Phantasie als Wirklichkeit waren. Sie waren der Köder, um spanische Siedler ins Land zu locken, denn nur Pedro und Rodrigo de Quiroga begriffen, daß die wahren Schätze Chiles nicht Gold und Silber sind, sondern das gesegnete Klima und die fruchtbaren Böden, die zum Bleiben einladen; die übrigen Siedler liebäugelten noch immer mit der Vorstellung, rasch ein Vermögen zu machen und nach Spanien zurückzukehren.
Um die Handelsroute nach Peru zu sichern, befahl Valdivia die Gründung einer Stadt im Norden, La Serena, und eines Hafens in der Nähe von Santiago,
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