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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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fand die richtigen Worte, um das Zutrauen der Soldaten zu festigen, und verschaffte sich sodann einen Überblick über die Kampfkraft der Truppe und ihre Ausrüstung. Als er begriff, daß es eine schier unlösbare Aufgabe zu bewältigen galt, fühlte er sich um Jahre verjüngt; seit den Zeiten der Gründung Santiagos hatten seine Hauptleute ihn nicht mehr in solcher Hochstimmung erlebt.
    Valdivia wählte die schmalen Inkapfade durchs Gebirge, um sich Cuzco zu nähern, wo man dem Heer des aufständischen Gonzalo Pizarro entgegentreten würde. Wie eine lange Kette winziger Ameisen schlängelte sich seine Streitmacht an den Abgründen entlang, über sich die massigen blaugrauen Berge: nackter Fels, Eis, Gipfel, die sich in den Wolken verloren, Wind und Kondore. Zuweilen ragten steinharte Wurzeln aus Spalten im Fels, und die Männer klammerten sich daran, um einen Moment Atem zu schöpfen. Die Pferde fanden keinen Halt auf den glatten Steinen, und die Soldaten, die einander mit Seilen sicherten, mußten die Tiere an der Mähne und am Schweif packen, um zu verhindern, daß sie hinab in die Tiefe stürzten. Die Berge waren von bedrückender, drohender Schönheit, eine Welt aus gleißendem Licht und nachtschwarzen Schatten. Wind und Schneetreiben hatten aus Felsnasen und Vorsprüngen dämonische Fratzen geformt; in den Felsritzen glitzerte der Schnee in allen Farben des Regenbogens. Morgens warf die Sonne orangefarbene und rosarote Streifen über die Gipfel, ehe sie fern und kalt über dem Grat aufstieg; so schlagartig wie es morgens hell wurde, schwand das Licht am Abend, und die Gebirgskette versank in Finsternis. Die Nächtewaren endlos, jedes Fortkommen unmöglich, Mensch wie Tier kauerte bibbernd am Rand des Abgrunds.
    Gegen die Höhenkrankheit und die Erschöpfung ließ Valdivia seine Soldaten Kokablätter kauen, wie es die Quechuas seit unvordenklichen Zeiten taten. Als seine Späher ihm berichteten, daß Gonzalo Pizarro wichtige Brücken hatte zerstören lassen, um La Gascas Vormarsch aufzuhalten, befahl er den Indios der Hilfstruppe, Seile aus Baumfasern zu drehen, was sie in atemberaubender Geschwindigkeit taten. Durch den an den Hängen aufziehenden Nebel vor feindlichen Blicken geschützt, setzte er sich mit einer Schar seiner Streiter und etlichen Indios vom Gros der Truppe ab, und als sie einen der gekappten Übergänge erreichten, wies er die Indios an, nach alter Tradition Taue aus je sechs Seilen zu flechten und die Schlucht damit zu überspannen. Als La Gasca tags darauf mit dem Rest der Streitmacht zu ihm stieß, fand er das Hindernis beseitigt. Fast tausend Fußsoldaten, fünfzig Reiter, unzählige Yanaconas und etliche Kanonen wurden auf schwankenden Seilen, vom Wind umtost, über den klaffenden Abgrund gebracht. Danach mußte Valdivia die erschöpften Männer zu einem letzten steilen Aufstieg nötigen. Zwei Meilen schleppten sie die Ausrüstung den Berg hinauf, zerrten die Kanonen an Seilen nach oben und erreichten endlich den Ort, den er ausgewählt hatte, um Gonzalo Pizarro herauszufordern. Als die Geschütze auf den umliegenden Hügeln in Stellung gebracht waren, gönnte er seinen Männern einige Tage Ruhe, während er selbst es seinem alten Lehrmeister, dem Marchese di Pescara, gleichtat, die Gefechtsstellungen der Kanonenschützen und Arkebusiere abritt, den Schlachtplan ausarbeitete und seinen Soldaten letzte Anweisungen gab. Mir ist, als sähe ich ihn vor mir, wie er hoch zu Roß, in seiner neuen Rüstung, strotzend vor Kraft und voller Ungeduld die Bewegungen des Gegners voraussieht und seine Offensive vorbereitet wie der erfahrene Schachspieler, derer war. Mit seinen achtundvierzig Jahren war er nicht mehr jung, war auch etwas füllig geworden, und die alte Wunde an seiner Hüfte machte ihm zu schaffen, aber noch konnte er zwei Tage und Nächte ohne Schlaf im Sattel sitzen, und ich weiß, in solchen Momenten fühlte er sich unbesiegbar. Diesmal war er sich seines Triumphs so gewiß, daß er La Gasca versprach, er werde bei dem Waffengang weniger als dreißig Mann verlieren, und er hat Wort gehalten.
    Die erste Kanonensalve war noch nicht zwischen den Hügeln verhallt, da hatten Pizarros Soldaten begriffen, daß sie es mit einem herausragenden Feldherrn würden aufnehmen müssen. Viele, denen beim Gedanken, gegen die Krone zu kämpfen, nicht wohl war, verließen die Reihen von Gonzalo Pizarro und liefen zu La Gasca über. Es heißt, Pizarros Oberfeldmeister, ein alter Fuchs mit jahrzehntelanger

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