Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sanften Augen unter langen Wimpern, denselben neugierigen Blick, und dazu waren Deine Haare zu zwei aufrechten Nestern gedreht, die aussahen wie Lamaohren. Von Deiner Mutter hast Du den karamelfarbenen Teint, von Deinem Vater die aristokratischen Züge – eine gute Mischung. Du wurdest mein Augenstern, kaum daß Du mit Deinem Holzpferd in den Armen, das Rodrigo für Dich geschnitzt hatte, einen Fuß über meine Türschwelle setztest. Ich gab Dich nicht mehr her, fand immer neue Ausreden, Dich bei mir zu behalten, bis Rodrigo und ich schließlichheirateten und Du rechtmäßig mein warst. Stell Dir vor, was ich mir alles anhören mußte: Ich würde Dich verhätscheln, Dich wie eine Erwachsene behandeln, ich würde ein Monstrum großziehen. Eine schöne Enttäuschung für die Unkenrufer, wenn sie sehen, was aus Dir geworden ist.
In den neun Jahren seit unserer Ankunft in Chile hatten wir uns etliche Feldschlachten und unzählige Scharmützel mit den chilenischen Indios geliefert, uns jedoch nicht nur gehalten, sondern auch neue Städte gegründet. Wir glaubten uns sicher, doch hatten die chilenischen Eingeborenen unsere Anwesenheit in ihrem Land nie akzeptiert, und in den kommenden Monaten bekamen wir das zu spüren. Die Indios des Michimalonko bereiteten seit Jahren eine große Erhebung vor, scheuten jedoch, anders als im Jahr 1541, den Angriff auf Santiago; statt dessen bündelten sie ihre Kräfte gegen die kleinen Orte im Norden, in denen die spanischen Siedler nahezu ohne Verteidigung waren.
Im Sommer 1549 starb Don Benito, weil er verdorbene Austern gegessen hatte. Wir alle hatten ihn geliebt, in ihm den Gründervater unserer Stadt gesehen. Der Traum dieses alten Recken, der Chile einst mit dem Garten Eden verglich, hatte uns bis ins Tal des Mapocho getragen. Mir war er stets ein treuer und ritterlicher Gefährte gewesen, und es traf mich tief, daß ich ihm in seinem Todeskampf nicht helfen konnte. Er starb in meinen Armen. Das Gift hatte jede Faser seines Leibes erfaßt, und er krümmte sich vor Schmerzen. Wir waren mitten in den Beisetzungsfeierlichkeiten, an denen alle Bürger Santiagos teilnahmen, als zwei erschöpfte, übel zugerichtete Soldaten Santiago erreichten, einer von ihnen schwer verwundet. Sie kamen aus La Serena, waren die Nächte hindurch geritten und hatten sich bei Tag vor den Indios verborgen. Sie berichteten, eines Nachts habe der einzige Wachsoldat ihrer erst kürzlich gegründeten kleinen Stadt noch eben Alarm blasen können, dannseien Massen ergrimmter Indios über die Siedlung hergefallen. Sie hatten sich nicht erwehren können, und binnen Stunden war La Serena dem Erdboden gleichgemacht. Die Angreifer folterten die Männer und Frauen zu Tode, schlugen die Kinder an Felsbrocken tot und legten die Häuser in Schutt und Asche. Mit knapper Not waren die beiden Soldaten entkommen und hatten unter unsäglichen Qualen die schreckliche Kunde nach Santiago gebracht. Sie versicherten uns, es handele sich um eine allgemeine Erhebung, die Stämme hätten zu den Waffen gegriffen und keine spanische Stellung werde verschont.
Grauen ergriff die Einwohner Santiagos; uns war, als sähen wir schon, wie die Horden der Wilden durch den Festungsgraben drängten, die Mauer erklommen und mit teuflischem Ingrimm über uns kamen. Wieder waren unsere Kräfte geteilt, etliche Soldaten hatte man den Siedlungen im Norden zugewiesen, Pedro befand sich mit mehreren Hauptleuten in Peru, und von der versprochenen Verstärkung fehlte bislang jede Spur. Die Minen und Landgüter konnten wir unmöglich schützen, sie wurden geräumt, und alles flüchtete sich nach Santiago. Die Frauen versammelten sich in der Kirche und beteten dort verzweifelt Tag und Nacht, während die Männer, selbst die alten und die kranken, sich rüsteten, um die Stadt zu verteidigen.
Der Rat trat zusammen und entschied, daß Villagra den Indios im Norden mit sechzig Mann entgegengehen sollte, ehe die sich zum Sturm auf Santiago sammelten. Aguirre wurde die Verteidigung der Hauptstadt übertragen und Juan Gómez angewiesen, mit allen Mitteln Informationen über den Krieg zu beschaffen, was nichts anderes hieß, als daß er jeden Verdächtigen der Marter unterwerfen sollte. Die Schreie der gefolterten Indios raubten uns das letzte bißchen Seelenfrieden. Mein Flehen um Mitleid und mein Argument, daß man durch Marter ja doch nie die Wahrheit erfährt, weil die Gequälten gestehen, was immer ihrPeiniger hören will, stießen auf taube Ohren. So
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