Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
übermächtig waren der Haß, die Angst und die Rachegelüste, daß Villagras Strafexpedition und ihre barbarischen Exzesse von den Leuten bejubelt wurden. Mit beispielloser Härte gelang es ihm, den Aufstand binnen drei Monaten niederzuschlagen, die feindliche Streitmacht war aufgerieben und der Angriff auf Santiago abgewehrt. Den Kaziken wurde der Frieden aufgezwungen, aber niemand glaubte, daß er von Dauer sein würde; wir konnten nur hoffen, daß der Gouverneur mit seinen Hauptleuten bald zurückkehrte und Soldaten aus Peru mitbrachte.
Monate nach Villagras Feldzug sandte der Rat der Stadt Francisco de Aguirre in den Norden, um die zerstörten Siedlungen wieder aufzubauen und sich um Verbündete zu bemühen, aber der Baske nutzte die Gunst der Stunde und ließ seinem unbeherrschten und grausamen Naturell freien Lauf. Er fiel über die Hüttensiedlungen der Indios her, sperrte alle Männer, von den Kindern bis zu den Greisen, in Holzverschläge und verbrannte sie bei lebendigem Leib. Weil er die Eingeborenen sonst vollständig ausgerottet hätte, mußte er, wie er selbst lachend erzählte, hinterher für Nachwuchs sorgen und die Witwen schwängern. Und damit lasse ich es genug sein, weil ich fürchte, diese Seiten enthalten schon mehr Widerwärtigkeiten, als eine Christenseele auszuhalten vermag. In der Neuen Welt ist man mit Greueltaten nie zimperlich gewesen. Aber, was sage ich? Greueltaten wie die von Aguirre hat es überall auf der Welt und zu allen Zeiten gegeben. Wir lernen nicht, begehen dieselben Sünden wieder und wieder bis ans Ende aller Zeiten. All das geschah in den Neuen Indien, während Karl V. in Spanien seine Neuen Gesetze verkündete, in denen er bestätigte, daß die Indios Untertanen der Krone waren und ihre Seelen den Landherren anempfohlen, die sie nicht zur Arbeit pressen noch züchtigen durften, sondern Verträge mit ihnen aushandeln und sie für ihre Dienste in barerMünze entlohnen sollten. Überdies waren die Eroberer gehalten, sich den Eingeborenen friedlich zu nähern und sie mit guten Worten darum zu bitten, den Gott und den König der Christen anzuerkennen, ihr Land herzugeben und sich in den Dienst der neuen Herren zu stellen. Wie so viele gutgemeinte Gesetze waren auch diese nichts als wohlgesetzte Worte auf bestem Pergament. »Wenn er all das für möglich hält, muß es um den Verstand unseres Monarchen schlimmer bestellt sein als befürchtet«, sagte Aguirre dazu. Und er hatte recht. Was hätte das spanische Volk getan, wären Fremde gekommen, ihm ihre Lebensgewohnheiten und ihre Religion aufzuzwingen? Auf Gedeih und Verderb hätten die Spanier gekämpft, was sonst?
In der Zwischenzeit war es Pedro in Peru gelungen, eine beachtliche Zahl von Soldaten anzuwerben, und auf der bekannten Route durch die Atacamawüste brach er nach Chile auf. Er war schon einige Wochen unterwegs, als ein schneller Bote des La Gasca ihn einholte und zur Umkehr in die Stadt der Könige aufforderte, wo eine dicke Anklageschrift gegen ihn vorlag. Ihm blieb keine Wahl, er mußte die Truppe seinen Hauptleuten übergeben und sich der Justiz stellen. Daß er dem König und La Gasca beim Kampf gegen Gonzalo Pizarro beigesprungen war und in Peru wieder Frieden herrschte, half ihm nichts, das Verfahren war dennoch eröffnet worden.
Neben den Neidern, deren Mißfallen Pedro in Peru geweckt hatte, gab es auch andere, die aus Chile angereist waren, um ihn durch ihre Verleumdungen zu vernichten. Die Anklageschrift umfaßte über fünfzig Punkte, aber ich erinnere mich nur an die wichtigsten und an die, die mich betrafen. Er wurde beschuldigt, sich eigenmächtig zum Gouverneur ernannt zu haben, obwohl Francisco Pizarro ihm lediglich den Titel des stellvertretenden Gouverneurs verliehen hatte; er habe den Tod des Sancho de la Hoz sowie anderer unschuldiger Spanier befohlen, darunter dendes jungen Soldaten Escobar, den er aus Eifersucht verurteilt habe; er habe das Geld der Siedler gestohlen, wobei unerwähnt blieb, daß Pedro den Betrogenen bereits fast alles, wie versprochen, aus den Erträgen der Mine von Marga-Marga zurückgezahlt hatte; er habe sich der besten Ländereien und Tausender Indios bemächtigt, und mit keiner Silbe wurde erwähnt, daß er vielfältige Ausgaben der Kolonie übernahm, die Truppen finanzierte, zinslos Geld verlieh und im Grunde mit seinem eigenen Vermögen der Zahlmeister Chiles war, denn geizig oder habgierig ist er nie gewesen; außerdem habe er einer gewissen Inés Suárez, mit der
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