Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
er unverhohlen in Sünde lebe, maßlose Reichtümer zugeschanzt. Was mich am tiefsten kränkte, als ich später die Einzelheiten erfuhr, war die niederträchtige Behauptung, Pedro würde nach meiner Pfeife tanzen, und wer etwas beim Gouverneur erwirken wolle, müsse einen Tribut an seine Kebse entrichten. Ich habe viel durchgemacht bei der Eroberung Chiles und mein Leben dem Aufbau dieses Landes gewidmet. Ich muß hier nicht auflisten, was ich durch meiner Hände Arbeit erschaffen habe, in den Archiven des Rats ist es festgehalten, und jeder Zweifler kann es dort nachlesen. Es stimmt, daß Pedro mich mit wertvollen Ländereien ehrte und mir Indios für die Arbeit zuteilte, was die Mißgunst der Kleinmütigen und Vergeßlichen weckte, aber daß ich mir all das im Bett verdiente, ist eine Lüge. Mein Vermögen wuchs, weil ich es mit dem bodenständigen Verstand meiner seligen Mutter mehrte. »Daß weniger rausgeht, als reinkommt«, war ihre unfehlbare Philosophie in Gelddingen gewesen. Als waschechte spanische Edelleute kümmerten sich Pedro und Rodrigo nie um die Verwaltung ihrer Güter oder um Geschäfte; Pedro starb arm, und Rodrigo lebte dank mir in Reichtum.
Trotz seiner Sympathien für den Angeklagten, dem er nicht wenig verdankte, führte La Gasca den Prozeß bis zum bitteren Ende. In Peru sprach man von nichts anderem,und über mich zerriß man sich das Maul: Ich sei eine Hexe, raube den Männern mit wirkmächtigen Tränken den Verstand, hätte mich in Spanien und später in Panama verkauft, bewahrte meine Frische, indem ich das Blut Neugeborener trank, und andere Ungeheuerlichkeiten mehr, zu ekelhaft, um sie hier zu wiederholen. Punkt für Punkt entkräftete Pedro die Vorwürfe, und am Ende war allein ich es, die verlor. La Gasca bestätigte erneut Pedros Ernennung zum Gouverneur, seine Titel und seine Würden, und forderte ihn lediglich auf, seine Schulden in angemessener Zeit zu begleichen; doch was mich betraf, da kannte dieser verfluchte Kuttenträger kein Erbarmen. Er befahl dem Gouverneur, mir meine Güter zu nehmen und sie unter den Hauptleuten aufzuteilen, sich unverzüglich von mir zu trennen und mich nach Peru oder nach Spanien zu schicken, wo ich meine Sünden in einem Kloster würde sühnen können.
Pedro war anderthalb Jahre fortgewesen und brachte aus Peru zweihundert Soldaten mit, von denen achtzig mit ihm auf dem Seeweg und die restlichen über Land nach Chile kamen. Als ich hörte, er kehre heim, brach ich in fiebrige Geschäftigkeit aus und trieb meine Bediensteten fast zur Verzweiflung. Sie mußten die Wände neu streichen, die Vorhänge waschen, die Blumenkübel bepflanzen, Zuckerzeug backen, das Pedro mochte, Decken weben und neue Bettwäsche nähen. Es war Sommer, und in unseren Gärten rings um Santiago reifte schon das Obst und Gemüse aus Spanien, nur daß es hier noch viel schmackhafter war. Mit Catalina kochte ich Kompott und bereitete Pedros Lieblingsdesserts vor. Erstmals seit Jahren sorgte ich mich um mein Aussehen, nähte mir sogar entzückende Hemden und Röcke, um ihn wie eine Braut zu empfangen. Ich war um die vierzig Jahre alt, fühlte mich aber jung und anziehend, vielleicht, weil meine Figur sich kaum verändert hatte, was man ja bei kinderlosen Frauen häufig sieht, und weil ich michin Rodrigos schüchternem Blick gespiegelt sah. Dennoch fürchtete ich, Pedro könne die feinen Fältchen um meine Augen bemerken, die blauen Äderchen an meinen Beinen, die Schwielen an meinen Händen. Ich würde ihm jeden Vorwurf ersparen: Was geschehen war, war geschehen, ich wollte mich versöhnen, wir würden wieder die legendären Liebenden sein wie einst. So viel hatten wir miteinander erlebt, zehn Jahre Kampf und Leidenschaft, die nicht verlorengehen durften. Ich verbannte Rodrigo de Quiroga aus meinen Gedanken, fort mit diesen sinnlosen und gefährlichen Träumereien, und ich besuchte Cecilia, um die Geheimnisse ihrer Schönheit zu erfahren, die in Santiago für Aufsehen sorgte, weil es an ein Wunder grenzte, daß die Zeit bei dieser Frau keine Spuren hinterließ und sie mit den Jahren immer jünger aussah.
Das Haus von Juan und Cecilia war viel kleiner und bescheidener als unseres, aber bezaubernd eingerichtet mit Möbeln und Stoffen aus Peru, von denen manche sogar aus dem ehemaligen Herrscherpalast Atahualpas stammten. Über den Fußboden waren mehrere Schichten peruanischer Wollteppiche in vielen Farben und verschiedenen inkaischen Mustern gebreitet, die Füße versanken darin.
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