Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
und versicherte ihm, daß es keinerlei Skandal geben werde. Tatsächlich hatte ich bereits etliche Frauen darangesetzt, neue Tischdecken zu nähen, während Doña Flor, die ich für den Anlaß mit der Küche betraut hatte, sich schon um die Zutaten für die Tafel kümmerte, vor allem um die Lieblingsdesserts des Gouverneurs. Auf dem Seeweg kamen Zucker und Melasse ins Land, die in Europa teuer waren, in Chile jedoch fast unerschwinglich, aber da man nicht alle Nachspeisen mit Honig süßen kann, mußte ich wohl oder übel bezahlen, was verlangt wurde. Unsere Gäste sollten mit einer Auswahl von Speisen beeindruckt werden, wie sie die Hauptstadt noch nicht gesehen hatte. »Nun, besser du machst dir Gedanken darüber, was du trägst, Mamita«, erinnerte mich Catalina. Ich bat sie, das elegante Kleid aus kupfern changierender Seide aufzubügeln, das ich kürzlich aus Spanien bekommen hatte und das meine Haarfarbe unterstrich … Nun, Isabel, Dir brauche ich nichts vorzumachen, Du weißt, daß ich mein Haar wie die Muselmaninnen und Zigeunerfrauen mit Henna färbte. Das Kleid war mir zwar etwas zu eng, weil meine Seele und mein Leib durch das friedvolle Leben und die Liebe zu Rodrigo ein wenig von Stolz geschwellt waren, aber besser als María de Encio, die sich wie eine Käufliche auftakelte, oder ihre aufgeplusterte Zofe, die unter meinem Niveau war, würde ich allemal aussehen. Lach nicht, Tochter. Ich weißja, es hört sich nach schäbiger Stichelei an, aber es stimmt: Diese beiden Frauenzimmer waren überaus ordinär.
Pedro de Valdivia hielt unter Bögen aus Laub und Blumen, gefeiert von den Mitgliedern des Rats und der Menschenmenge, die zu seinem Empfang die Straßen säumte, einen triumphalen Einzug in Santiago. In blankpolierten Rüstungen und federbuschbesetzten Helmen waren Rodrigo, seine Hauptleute und Soldaten auf der Plaza de Armas angetreten. María de Encio erwartete ihren Herrn und Gebieter kokett kichernd und sich windend auf der Schwelle des Hauses, das einmal mir gehört hatte. Eine gräßliche Person! Ich ließ mich nicht blicken und verfolgte das Schauspiel aus der Ferne durch ein angelehntes Fenster. Pedro sah aus, als seien die Jahre auf einen Schlag über ihn gekommen, er war fülliger geworden, und seine Bewegungen hatten etwas Getragenes, ich weiß nicht, ob aus Arroganz, Beleibtheit oder Erschöpfung von der Reise.
Diese Nacht verbrachte der Gouverneur vermutlich in den Armen seiner beiden Mätressen, und am nächsten Morgen machte er sich gewohnt tatkräftig an die Arbeit. Er ließ sich von Rodrigo ausführlich und in allen Einzelheiten über den Zustand der Kolonie und der Stadt berichten, sah die Rechnungen des Kämmerers durch, hörte sich die Gesuche des Rats an und empfing einen nach dem anderen die Bürger der Stadt, die Bitten an ihn hatten oder um einen Schiedsspruch nachsuchten. Aber er hatte sich verändert, war zu einem hochtrabenden, ungeduldigen, überheblichen und herrschsüchtigen Mann geworden, der beim geringsten Widerwort in Rage geriet. Er bat niemanden mehr um seine Meinung, traf seine Entscheidungen allein, führte sich auf wie ein Tyrann. Zu lange war er im Krieg gewesen und hatte sich daran gewöhnt, daß seine Befehle ohne Widerrede befolgt wurden. Offenbar sprang er mit seinen Hauptleuten und Freunden um wie mit seiner Truppe, aber Rodrigo gegenüber blieb er freundlich; er ahnte wohl, daß der ihmkeine Respektlosigkeit durchgehen lassen würde. Cecilia war wie immer über alles im Bilde und erzählte mir, Valdivias Kebsen und die Dienerschaft hätten eine Heidenangst vor ihm, weil er seinen Mißmut an ihnen ausließ, wenn der Schmerz in den Knochen ihm zusetzte oder das hartnäkkige Schweigen des Königs, der nicht auf seine Briefe antwortete.
Das Bankett zu Ehren des Gouverneurs sollte eins der spektakulärsten werden, die ich in meinem langen Leben ausgerichtet habe. Schon die Gästeliste zu erstellen war eine Aufgabe für sich, weil wir ja nicht alle fünfhundert Bürger der Hauptstadt mit ihren Familien einladen konnten. Viele angesehene Persönlichkeiten warteten vergeblich auf das Billett mit der Einladung. Santiago brodelte vor Gerüchten, alle wollten beim Fest dabei sein, ich bekam unerwartete Geschenke und die blumigsten Gunstbezeigungen von Leuten, die mich am Tag zuvor kaum angesehen hatten, aber wir mußten die Liste der Einzuladenden auf die Hauptleute beschränken, die 1540 mit uns nach Chile gekommen waren, auf die Beamten der Krone und die
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