Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Eroberungen wie unser König und Kaiser Uhren. Wie soll aus dir je ein Ehemann werden?«
»Geliebt habe ich immer nur meine Cousine! Das andere sind gesichtslose Wesen, nur für Augenblicke da, um die Begierden zu stillen, die der Teufel in mir weckt.«
»Der Teufel weckt viele und sehr vielfältige Begierden in uns, doch gibt Gott uns die moralische Klarheit, sie zu zügeln. Das unterscheidet uns von den Tieren.«
»Du bist seit vielen Jahren Soldat, Pedro, und du glaubst noch immer, wir unterscheiden uns von den Tieren?«
»Zweifellos. Der Mensch ist aufgerufen, sich über das Tierische zu erheben, sein Leben am edlen Ideal auszurichten und seine Seele zu retten.«
»Du machst mir angst, Pedro, du redest wie ein Betbruder. Wüßte ich nicht, wie mannhaft du sein kannst, ich müßte denken, dir fehlt der angeborene Trieb, der uns Männer bewegt«, sagte Aguirre belustigt.
»Sei unbesorgt, der Trieb fehlt mir nicht, ich lasse nur nicht zu, daß er mein Handeln bestimmt.«
»Ich bin nicht so edel wie du, aber die reine und lautere Liebe zu meiner Cousine wird mich erretten.«
»In die Bredouille wird sie dich bringen, die Heirat mit diesem verklärten Mädchen«, sagte Valdivia augenzwinkernd. »Wie soll diese Liebe mit deinen brünstigen Gewohnheiten zusammengehen?«
»Von Bredouille keine Spur, Pedro. Ich hole meine Cousine mit Küssen von ihrem Heiligensockel, und dann liebe ich sie mit all meiner Leidenschaft.« Aguirre lachte schallend.
»Und die Treue?«
»Für die ist in unserer Ehe meine Cousine zuständig, ich kann schließlich unmöglich den Frauen entsagen, sowenig wie dem Wein und dem Schwert.«
In Windeseile kehrte Francisco de Aguirre heim nach Spanien, um zu heiraten, ehe der wankelmütige Papst es sich anders überlegte. Offenbar gingen die lauteren Gefühle, die er für seine Cousine hegte, sehr gut mit seiner unbezähmbaren Sinnlichkeit zusammen und wurden von seiner Frau ohne Scheu erwidert, jedenfalls wurde die Glut dieses Ehepaars legendär. Man sagt, die Nachbarn hätten sich vor dem Haus der Aguirres geschart, um sich an dem Lärm zu ergötzen und Wetten darauf abzuschließen, wie oft die Liebe in dieser Nacht wohl zum Sturmangriff bliese.
Die Fama seiner Feldzüge eilte ihm voraus, als Pedro de Valdivia nach all den Schlachten, dem Blut, Pulver und Schlamm ebenfalls in seine Heimat zurückkehrte, um einige teuer bezahlte Erfahrungen und auch um ein Säckel mit Gold reicher, mit dem er seinem verarmten Besitz auf die Beine zu helfen gedachte. Marina erwartete ihn, zur Frau geworden. Nichts war übrig von ihrem Betragen eines verwöhnten Kindes, sie war siebzehn Jahre alt, und ihre ätherische und gelassene Schönheit lud dazu ein, sie zu bewundern wie ein Kunstwerk. Etwas schlafwandlerisch Entrücktes war an ihr, als fühlte sie voraus, daß ihr Leben ein einziges Warten sein würde. In der ersten gemeinsamen Nacht wiederholten die Eheleute stupide die bereits bekannte Handlung und das bereits bekannte Schweigen. Im Dunkel des Schlafzimmers vereinten sich ihre Leiber ohne Freude; er fürchtete, sie zu erschrecken, und sie fürchtete zu sündigen; er wünschte ihr Herz zu gewinnen, und sie wünschte, die Sonne möge aufgehen. Tagsüber erfüllte jeder die ihm zugedachte Rolle, sie bewohnten denselben Raum, ohne einander zu streifen. Marina begegnete ihrem Mann mit ängstlicher und beflissener Zuneigung, die ihm nicht etwa schmeichelte, sondern lästig fiel. Er bedurfte all der Aufmerksamkeiten nicht, wünschte sich vielmehr ein wenig Leidenschaft, wagte jedoch nicht, Marina darauf anzusprechen, weil sich Leidenschaft für eine so sittsame und fromme Frau wohl nicht ziemte. Er fühlte sich von ihr überwacht, gefangen in den unsichtbaren Banden eines Gefühls, das er nicht zu erwidern wußte. Ihm mißfiel der bittende Blick, mit dem sie ihm durchs Haus folgte, ihre stumme Traurigkeit, wenn er fortging, der versteckte Vorwurf in ihrer Miene, wenn er nach kurzer Abwesenheit zu ihr zurückkehrte. Marina schien ihm unberührbar, er durfte sich nur aus einiger Entfernung an ihr erfreuen, wenn sie, in Gedanken und ins Gebet versunken, am Fenster saß und stickte und das goldene Sonnenlicht sie beschien wieeine Säulenheilige. Ihre Begegnungen hinter den schweren und staubigen Draperien des Himmelbetts, das den Valdivias seit drei Generationen diente, waren für Pedro ohne Reiz, weil Marina sich weigerte, das Hemd mit dem kreuzförmigen Schlitz gegen ein weniger wehrhaftes Kleidungsstück zu
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