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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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wieder ihre Nähe. Sie plauderten eine Weile miteinander, dann fragte er Ines nach ihrer Handynummer.
    Â»Wir können doch mal was zu zweit machen … Wochenende ist immer schlecht bei mir, da habe ich Fußball, aber wie wär’s nächsten Dienstag oder Mittwoch?«
    Â»Vielleicht«, sagte Ines. »Du kannst dich ja melden. Dann findest du heraus, ob ich Zeit habe.«
    Die neue Frisur hatte sein Interesse an ihr also nicht geschmälert. Ines fühlte sich rundum wohl damit, besser noch als mit den Locken. Was so eine kleine Veränderung für einen Unterschied machte … seit gestern wurde sie in der Schule anders wahrgenommen!
    Die Einzige, die den Haarschnitt kommentierte, war Sonja.
    Â»Wie machst du das eigentlich? Vorgestern braunes Haar, gestern schwarzes, heute wieder die alte Farbe. Gestern Locken, heute glattes Haar … ich kapier das nicht.«
    Â»Du bist ja nur neidisch«, sagte Ines. »Darf ich nicht mein Aussehen verändern?«
    Â»Doch, klar … aber irgendwas daran ist seltsam.« Sonja musterte ihre Freundin nachdenklich. »Wie auch immer, ich mag die Frisur. Und deine richtige Haarfarbe steht dir einfach am besten. Diese Locken sahen irgendwie … unecht aus. Zu perfekt.«
    Darüber musste Ines noch eine ganze Weile nachgrübeln. Sie erinnerte sich daran, wie sie im Refugium vor dem Spiegel gestanden und einen letzten Blick auf die Locken geworfen hatte. Sie erinnerte sich an den Sprung, der sich auf der gläsernen Fläche ausgebreitet hatte, an das Bersten des Spiegels und den tosenden Sturm hinter dem Fenster. Eine Gänsehaut kroch über ihre Arme.
    In der fünften Stunde hatten sie Sportunterricht bei Frau Wunder. In diesem Fach war der Schrecken der Schule meist gnädiger als in Mathe oder Physik. Dennoch waren alle Schüler darauf erpicht, nicht zu spät zum Unterricht zu erscheinen.
    Im Umkleideraum der Mädchen herrschte emsiges Schnürsenkelbinden und Haargummizurechtrücken, als Ines und Sonja nach der Pause dort aufschlugen. Sie hatten sich auf dem Weg zur Sporthalle verquatscht.
    Â»Hoffentlich ist sie nicht zu schlecht gelaunt«, stöhnte Sonja, als sie in ihre Sporthose schlüpfte. »Seit der Matheklausur hat sie mich voll auf dem Kieker …«
    Â»Sie wird einen dummen Spruch ablassen, weil wir zu spät sind, mehr nicht«, beruhigte Ines sie. »Hör einfach nicht hin. Das kannst du doch sonst auch so gut.«
    Â»Ha, ha, sehr witzig.« Sonja band sich die Schuhe zu. Sie hatte sich beeilt, während Ines noch immer mit Umziehen beschäftigt war. Der Rest der Mädchen war längst in der Halle verschwunden. »Nun mach mal hin, Süße!«
    Â»Geh besser schon vor«, riet ihr Ines. »Nicht dass du Ärger kriegst wegen mir.«
    Sonja zögerte, lief dann aber los. In der Halle hörte man die anderen Schüler bereits mit den Basketbällen dribbeln.
    Ines war froh, noch einen Augenblick für sich zu haben. Sie dachte an ihr Gespräch mit Karol in der Pause. Er wollte sich mit ihr treffen, allein! Es war das erste Mal, dass ein Junge sie so etwas fragte. Schon der Gedanke daran ließ ihr Herz schneller klopfen.
    Wie sollte sie Karol gleich in der Sportstunde ansehen, ohne dabei rot zu werden? Ob er sich in sie verliebt hatte? Ach Quatsch … vor ein paar Tagen hatte er noch Sonja hinterhertelefoniert. Und dass die hübsche Anfisa wirklich nur eine gute Freundin war, bezweifelte Ines auch.
    Â»Warum ist das alles so kompliziert?«, murmelte sie, während sie ihre abgestreiften Kleidungsstücke an die Haken der Umkleide hängte. »Wenn ich mir wenigstens sicher wäre, was
ich
fühle …«
    Sie brach ihr Selbstgespräch jäh ab. Denn plötzlich hörte sie ein vertrautes Geräusch. Sie hatte es wegen des fernen Lärms aus der Halle erst nicht wahrgenommen, aber nun drängte es sich immer mehr in den Vordergrund.
    Ein Ticken …
    Sie drehte den Kopf.
    Auf der weiß getünchten Wand des Gangs, der von der Umkleide zur Turnhalle führte, war die Tür des Refugiums. Sie stand halb offen. Sattgelbes Licht fiel durch den Türspalt nach draußen. Das Ticken der Uhr war deutlich zu hören und ging in einen Seufzer über, so wie immer, wenn der Zeiger einen Strich vorwärts rückte.
    Das Refugium verfolgt mich schon wieder, dachte Ines. Was will es von mir?
    Dann erschrak sie.
    Die Uhr hatte geseufzt –

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