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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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war düsterer als sonst, wie Sturmwolken am Himmel. Ein Luftzug wehte durch den Raum und ließ ihre braunen Haare flattern.
    Auf der Kommode lagen noch die Fotos, die Ines gefunden hatte. Ihr Blick fiel auf eine der Aufnahmen, die ihre Oma im Varieté zeigte. Die junge Frau, die Agnes einmal gewesen war, wirkte auf dem Foto fast plastisch, ihre Augen blitzten wach. Ines hätte sich nicht gewundert, wenn die Agnes auf dem Foto ihr zugeblinzelt hätte.
    Sie legte den Schuh behutsam auf die Kommode, neben die Uhr.
    Der Zeiger rückte nach vorn. Das Seufzen aus dem Inneren der Mechanik klang erleichert.
    Ines beobachtete den Schuh.
    Das Samt löste sich vom Leder, wurde grau und zerfiel. Der silberne Schmetterling wurde pechschwarz, seine Flügel erstarrten und Schräubchen lösten sich aus den winzigen Scharnieren. Die Hacke des Schuhs zerbröselte und die Lederriemen unter dem Samt zeigten Risse.
    Der Schuh fiel vor ihren Augen auseinander.
    Es war kein schöner Anblick, aber er hatte etwas Friedliches. So als folgte der Schuh seiner Bestimmung, als wäre er nach langer Reise heimgekehrt und wollte Ruhe finden.
    Â»Alles, was du dem Refugium entnimmst, musst du zurückbringen«, flüsterte Ines die Worte ihre Großmutter. »Diese Gegenstände gehören nicht in unsere Welt. Es wäre gefährlich, sie zu behalten.«
    Sie musste lächeln, während sie auf den Haufen aus altem Leder, Stoff, Garn, Holz und Silber blickte, der einmal ein Schuh gewesen war – bis ihr wieder einfiel, dass außer dem Schuh noch etwas aus dem Refugium in die Welt gelangt war. Etwas, das sie dem Raum entnommen und bisher nicht zurückgebracht hatte …

31.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag klingelte Ines Sturm, diesmal bei der Nachbarwohnung. Aber es war wie verhext – Herr zu Hausen reagierte nicht auf ihr Klingeln, Klopfen und Rufen. Er war nicht da – ausgerechnet heute!
    Â»So ein Mist!«, fluchte Ines.
    Er hat Vopelians Buch, dachte sie. Und ich Idiotin habe es ihm auch noch selbst gegeben …
    Seit dem Treffen mit dem alten Herrn wollte sie es so schnell wie möglich ins Refugium zurückbringen. Denn wenn dieser Mann mithilfe eines Schuhs die Spur von Agnes aufgenommen hatte, konnte Ines vielleicht dasselbe passieren. Auch wenn das Buch streng genommen nicht aus dem Refugium stammte. Zumindest nicht aus
ihrem
Refugium. Vopelian hatte es ja irgendwo im Nebel gefunden. Aber wahrscheinlich spielten diese Feinheiten keine Rolle.
    Ich hätte nicht so neugierig sein sollen, warf Ines sich vor. Hätte ich nur auf Vopelian gehört …
    Guido zu Hausen war auf jeden Fall
nicht
zu Hause. Vielleicht war er einkaufen oder holte ein Bücherpaket ab oder war spazieren oder … ach, sie wusste es nicht. Sie konnte nur hoffen, dass er bald zurückkehrte.
    Ines ging wieder in ihr Zimmer. Dabei versuchte sie, ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen. Sie war immer noch sauer auf Carmen, hatte ihre gemeinen Worte über Agnes nicht vergessen und auch nicht, dass sie das Klingeln überhört hatte. Ob nun aus Absicht oder Nachlässigkeit.
    Sie denkt nur an sich, grollte Ines. Wie lange soll das so weitergehen? Irgendwann muss Carmen aufhören, ihrer Opernkarriere nachzutrauern, und sich um ihre Familie kümmern.
    Es fühlte sich nicht richtig an, solche Gedanken zu haben. So als wäre Ines Carmens Mutter und nicht andersherum …
    Ich bin mit diesem ganzen Mist allein! Agnes ist weg, meine beste Freundin redet nicht mit mir, meine Eltern beschäftigen sich nur mit ihrem eigenen Kram, und Karol … ach, an den will ich lieber gar nicht denken.
    Sie warf sich auf ihr Sofa und brütete über ihre verfahrene Situation. Immer wieder warf sie einen Blick auf die Straße. Wann zum Teufel kehrte Herr zu Hausen denn endlich zurück?
    Der Nachmittag verstrich. Julian kam vom Flötenunterricht und wollte mit ihr spielen, aber Ines wies ihm die Tür. Dann kam Veith, der gleich nach der Schule zur Polizei gefahren war, um etwas über Agnes zu erfahren. Er wirkte geknickt.
    Keine Neuigkeiten also.
    Und dann, endlich, hörte Ines Schritte auf dem Bürgersteig. Draußen sah sie die dürre Gestalt von Herrn zu Hausen. Aus seiner Jutetasche ragte eine Lauchstange. Er war also doch einkaufen gewesen.
    Ines stürmte aus ihrem Zimmer und passte ihn vor seiner Wohnung ab.
    Â»Hallo … haben Sie das Buch schon gelesen? Kann ich es

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