Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
eigentlich vorgenommen, das Fest in diesem Jahr richtig zu genießen, sich hübsch anzuziehen, mit Jungs zu flirten und am Vorabend eine Bowle zu machen, die sie mitbringen konnten. Sonja hatte sogar die Idee gehabt, eine Flasche Sekt aus dem Keller ihrer Eltern zu stibitzen und hineinzumischen (heimlich natürlich, denn wenn die Lehrer das bemerkten, würde es Ärger geben).
    Von alldem war jetzt keine Rede mehr.
    Wir müssen uns doch irgendwie versöhnen, dachte Ines traurig. Das kann so nicht weitergehen.
    Sie nahm sich vor, Sonja nach der Schule abzupassen und sich mit ihr auszusprechen. Aber beim Klingeln raffte ihre Freundin blitzschnell die Bücher zusammen und eilte ohne ein Wort aus dem Klassenzimmer.
    Ines wollte hinterher, aber da rief Frau Wunder nach ihr.
    Â»Ines Larik, wartest du bitte einen Augenblick?«
    Ines schlenderte zum Lehrerpult.
    Â»Was ist denn?«
    Frau Wunder packte sorgfältig ihre Ordner in die Tasche.
    Â»Ich wollte kurz mit dir reden. Über deine Mathenote.«
    Na prima, stöhnte Ines innerlich. Das hat mir gerade noch gefehlt!
    Â»Du hast dich in diesem Schuljahr sehr verbessert«, säuselte Frau Wunder. »Ohne Frage hast du Talent, nur mit dem Fleiß hapert es. Deine Klassenarbeiten waren erfreulich. Aber mündlich … oje!«
    Ines sagte lieber erst mal nichts. Sie blickte nur in Frau Wunders Augen hinter der randlosen Brille. Aber es ließ sich nichts darin lesen.
    Â»Ich will ehrlich sein. In deinem Fall bin ich mir nicht sicher, ob du eine Eins wirklich verdienst«, sagte Frau Wunder. »Du lässt dich zu sehr von Sonja herunterziehen. Und du weißt, ab nächstem Jahr wird es härter. Da erwarte ich mehr Einsatz.«
    Was will sie denn?, ärgerte sich Ines. Kann sie nicht auf den Punkt kommen?
    Â»Wir müssen überlegen, ob du nächstes Jahr wieder neben Sonja sitzen solltest. Vielleicht tut es euch beiden gut, im Unterricht etwas Abstand zu haben.«
    Â»Kommt nicht infrage!«, platzte es aus Ines heraus. »Sie ist meine beste Freundin.«
    Â»Und schreibt hemmungslos von dir ab«, erwiderte Frau Wunder. »Das tut weder ihr gut noch dir. Wir müssen das unterbinden.«
    Ines war empört. »Wir schreiben überhaupt nicht voneinander …«
    Â»Nun, du kennst meine Meinung«, unterbrach Frau Wunder sie lächelnd. »Wenn du deine Eins willst, denk darüber nach.« Sie packte ihre Tasche und stand vom Pult auf. »Und jetzt darfst du gehen.«
    Ines verließ kochend das Klassenzimmer. Was bildete sich diese blöde Kuh eigentlich ein? Dass sie wegen einer Note ihre beste Freundin hintergehen würde? Auf die Eins konnte sie verzichten, auf Sonja nicht! Das wurde ihr erst jetzt richtig klar.
    Zu Hause rufe ich Sonne an, beschloss sie. Wenn ich ihr das erzähle, wird sie Frau Wunder noch mehr hassen.
    Auf der Busfahrt malte sie sich das Telefonat aus, versuchte, sich die richtigen Worte zurechtzulegen und eine Entschuldigung, die nicht zu kleinlaut klang. Sie freute sich auf das Gespräch, sehnte sich nach Sonjas Stimme und ihrem Lachen.
    Auf den letzten Metern von der Bushaltestelle zur Wohnung hatte sie sogar ein Lächeln auf dem Gesicht. Schon kramte sie in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel.
    Dann fiel ihr das Auto vor dem Haus auf.
    Es war eine bronzefarbene Limousine mit langem Heck und getönten Scheiben. Ein schönes Auto, der Lack blank gewienert, sodass die Sonne sich darauf spiegelte. Ein Fahrer mit ebenso spiegelnder Glatze saß hinter dem Steuerrad und blickte unbewegt auf die Straße.
    Was machte diese edle Karre vor ihrem Haus?
    Und dann bemerkte Ines den Mann.
    Er stand am Eingang und las die Klingelschilder. Erst sah sie ihn nur von hinten. Er war sehr groß und korpulent, trug einen Gehrock, dessen Schäfte fast den Boden streiften, und auf dem Kopf einen runden Hut. Seine Hand, deren Zeigefinger an den Klingelschildern entlangglitt, steckte in einem roten Seidenhandschuh. Von dem Mann selbst waren nur der breite Nacken zu erkennen und ein paar weiße Haare, die unter dem Hut hervorstanden.
    Ines blieb stehen.
    Als ob der Mann spürte, dass er beobachtet wurde, drehte er sich langsam um.
    Er war alt, sein Gesicht faltig, bartlos und mit Altersflecken übersät. Unter den buschigen weißen Brauen blinkten zwei wache Augen – sie waren bis auf die Pupillen ganz weiß. Der Gehrock hatte auffällige Knöpfe aus

Weitere Kostenlose Bücher