Ines oeffnet die Tuer
widerstehen.«
»Leicht gesagt«, seufzte Ines. »AuÃerdem sitze ich hier fest. Ins Refugium kann ich schlecht zurückkehren, solange er sich dort aufhält.«
Sie stand vom Schemel auf. Auch Vopelian erhob sich. Zusammen schritten sie durch sein Refugium.
»Dieser Raum ist bildschön«, sagte Ines. »Jetzt verstehe ich, warum du ihn nicht mehr verlassen wolltest.«
»Er sah nicht immer so aus«, wiegelte Vopelian ab. »Am Anfang, als Timotheos ihn mir schenkte, war er trist und viel kleiner. Erst im Lauf der Jahrhunderte wurde er zu dem, was er heute ist.«
»Durch deine Wünsche, nicht wahr?«
Er gab keine Antwort darauf, doch seine Miene verriet ihr, dass sie recht hatte.
Wie einsam musste jemand sein, der sich aus der Welt zurückzog, um in einem künstlichen Garten zu leben, mit einem sonnenlosen Himmel und Zitrusbäumen, die in Tonkrügen wuchsen â¦
Ines blickte auf den Limonenbaum â und horchte auf. Sie vernahm ein gurrendes Geräusch.
Was war das bloÃ?
Hinter dem Baumstamm lugte ein groÃer Vogel hervor.
Es war ein Fasan. Und was für ein prächtiger! Das Gefieder seines Kopfs glänzte smaragdgrün. Sein Auge war von purpurnen Hautlappen umgeben, und der Blick, der prüfend auf Ines ruhte, war so klug, wie sie es bei einem Vogel noch nie gesehen hatte. Kurz wetzte der Fasan seinen Schnabel an dem Baumstamm und wagte sich weiter vor, sodass Ines seine kupferfarbene Brust, die kräftigen Klauen und die spitz aufragenden Schwanzfedern sehen konnte.
»Da ist er ja!«, rief Vopelian. »Mein treuer Freund Basileides. Keine Scheu ⦠das Mädchen tut dir nichts.«
Der Fasan legte den Kopf schräg, lieà die Schwanzspitze wippen und näherte sich Ines mit äuÃerster Vorsicht. Staunend beobachtete sie sein schillerndes Federkleid.
»Ist das dein Haustier?«
»O nein«, kicherte Vopelian. »Eher bin ich das seine. Sagen wir, Basileides ist mein Gefährte und Mitbewohner. Er ist etwas eigen, musst du wissen, und sein Stolz gröÃer als dieser Raum.«
Der Vogel beäugte Ines wie einen lästigen Gegenstand. Dann beugte er den Kopf zu der Wasserrinne hinab, um den Schnabel zu benetzen.
»Was bedeutet sein Name?«
»Basileides, oder auch Basiliskos, heiÃt Häuptling, Fürst und König. Ich gab ihm den Namen, weil er sich wie ein kleiner Herrscher aufführt. Mich sieht er als seinen Diener an, der ihm Futter bringt, sein Gefieder ordnet oder einfach nur seinen Glanz bewundert.« Vopelian blickte zärtlich auf den Fasan. »Wir leben schon sehr lange zusammen im Refugium. Ich weià nicht immer, was Basileides denkt, aber wir sind uns vertraut. Nicht wahr, alter Junge?«
Der Fasan gackerte blasiert.
»Ziemlich eingebildet, dein Vogel«, bemerkte Ines. »Ist er deine einzige Gesellschaft? Hast du sonst niemanden?«
Vopelian kratzte sich an der Stirn. »Nein ⦠Basileides und ich waren stets allein. Nur eine Weile lebte dieser Junge bei uns, Benjamin, der mir deine Sprache beibrachte. Aber er wollte nicht bleiben.« Vopelian machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte er eine Erinnerung vertreiben. »Nun, jetzt haben wir eine neue Freundin. Unser Schachspiel neulich hat mir Freude bereitet, und über deinen Gegenbesuch freue ich mich ungemein. Auch wenn er durch missliche Umstände zustande kam â¦Â«
Ines riss sich vom Anblick des Fasans los. Für einen Augenblick hatte sie tatsächlich vergessen, warum sie hier war.
»Ich kann auch nicht bleiben. Meine Eltern würden sich Sorgen machen, wenn ich nicht zurückkomme. Und das Refugium ⦠der alte Herr darf sich nicht einfach darin einnisten!« Sie sah Vopelian bittend an. »Kannst du mir nicht helfen, ihn zu vertreiben?«
Vopelian wich ängstlich zurück.
»Nun, Ines ⦠wenn dieser alte Herr wirklich der Pharmakos ist, von dem Timotheos erzählt hat, will ich ihm lieber nicht begegnen.«
Seine Feigheit machte sie wütend.
»Hallo? Soll ich etwa allein mit ihm fertigwerden? Ich bin erst dreizehn, und du? Zweitausendundwieviel?«
Vopelian senkte beschämt den Blick.
»Ich ⦠kann das nicht tun. Ich würde mein eigenes Refugium in Gefahr bringen. Bleibe lieber eine Weile bei mir und Basileides, bis die Wogen sich geglättet haben. Der alte Herr kann nicht ewig in deinem Refugium bleiben, da es ihm nicht gehört. Spätestens
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