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INFAM - Die Nacht hat tausend Augen (German Edition)

INFAM - Die Nacht hat tausend Augen (German Edition)

Titel: INFAM - Die Nacht hat tausend Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Wegmann
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beide Hände um das Kantholz gelegt, das sie links von sich auf Höhe ihrer Taille hielt.
„Jetzt!“, rief Sarah. „Schlag zu!“
Sid hatte sein Tempo etwas verringert, schritt aber weiter voran und war jetzt in Schlagreichweite. Denise drehte ihren Kopf nach links, schielte nach hinten, holte mit einer schnellen Bewegung zur anderen Seite hin aus und schlug Sarah das Kantholz mit voller Wucht in die Magengegend. Ein überwältigender Schmerz ließ Sarah zuerst auf die Knie und dann zu Boden sacken. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und nahm wie aus weiter Ferne – wie hinter einem Schleier, der ihr Bewusstsein verdeckte – wahr, dass sie unsanft auf den Rücken gedreht wurde. Sie drehte instinktiv ihren Kopf zur Seite und während sie ein wütendes Grunzen hörte, spürte sie ein immenses Gewicht auf ihrem geschundenen Körper und sah aus dem Augenwinkel, wie sich geifernde Lefzen ihrem Gesicht näherten. Sarah schloss die Augen und als spitze Zähne anfingen, an ihrer Ohrmuschel zu reißen und schließlich einen Teil davon abbissen, erfasste sie der Segen der Bewusstlosigkeit. Sie bekam nicht mehr mit, wie Sid genüsslich auf ihrem Ohrläppchen kaute und den Ohrstecker achtlos ausspuckte. Der kleine silberne Delfin lag in einem Klumpen aus Spucke, Rotz und Blut.

 
    24
     
    Richard Ashmore knallte vor Begeisterung die Plastikflasche mit Mineralwasser auf den Tisch und griff aufgeregt nach einer Zigarette. Er zündete sie an, sog den Rauch genüsslich ein und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er musste grinsen. Das war wirklich hervorragend gelaufen. Denise war einfach klasse, das musste er ihr lassen, auch wenn er es nach wie vor für puren Leichtsinn hielt, dass sie vor der Kamera agierte. Aber dieser Twist, der ohne sie nicht möglich gewesen wäre, wertete seine Produktion definitiv auf.
Richard klickte auf das Chatfenster und sah, dass viele User sich überrascht äußerten, während andere diese Wendung offenbar von Anfang an hatten kommen sehen. So schwer war das ja auch nicht vorauszuahnen gewesen, dachte Richard. Wer sein Kunstwerk aufmerksam verfolgte, dem war sicher nicht entgangen, dass sich seit gestern ein Handyvideo auf der Webseite befand, das eine private Aufnahme von Sarahs Katze und ihr selbst zeigte. Wer eins und eins zusammenzählte, konnte sich also bereits denken, wer das Video gemacht hatte und, dass Denise nicht die war, für die Sarah sie hielt. Und als Denise plötzlich von der Bildfläche verschwand, ließen die Kommentare zahlreicher User erkennen, dass sie sie nicht für das unschuldige Opfer hielten. Trotzdem hatte diese Szene jetzt, in der Denise sich gegen Sarah wandte, perfekt in die Produktion gepasst. Denn für Sarah war es der ultimative Schock gewesen, mit dem sie sicher niemals gerechnet hatte. Ihr war die Freude und Erleichterung anzumerken gewesen, als sie Denise lebendig wiedergesehen hatte. Und dann stellte sich diejenige, die Sarah für ihre Freundin hielt und für die sie ganz offensichtlich viel Zuneigung empfand, als ihre Feindin heraus. Nach all den körperlichen Torturen, denen Sarah sich heute Abend ausgesetzt sah, musste dieser Verrat nun das Schlimmste für sie sein. Sarah hatte im Laufe des Abends einen erstaunlichen Kampfgeist entwickelt und war nicht das schwache Mäuschen, für das Richard sie zunächst gehalten hatte. Als sie Sid mit einem Ausdruck wilder Wut im Gesicht den Stacheldraht über das Gesicht gerollt hatte, stand Richard vor Erstaunen der Mund offen und er hatte schon befürchtet, dass sie den Irren erledigen würde. Aber jetzt, nachdem sich Denise gegen sie gestellt hatte, war sie gebrochen und sie würde sich ihrem Schicksal ergeben, da war er sich sicher.

Es war höchste Zeit für den finalen Akt und dann musste er aufräumen und sich schnellstens aus dem Staub machen. Trotz seiner umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen, quälte ihn ein zunehmendes Gefühl des Unbehagens und er würde sich erst wieder entspannen können, wenn er aus der Gegend verschwunden war. Er hielt es für durchaus möglich, dass jetzt gerade Mitarbeiter irgendwelcher Strafverfolgungsbehörden mit Hochdruck versuchten, seinen Standort zu lokalisieren. Und früher oder später würde ihm ein gewiefter Internet-Ermittler auf die Spur kommen, da wollte er sich gar nichts vormachen. Denise war ein weiteres Sicherheitsrisiko. Zwar würde es seine Show ohne sie – zumindest in dieser Form – gar nicht geben, aber sie vor die Kamera zu lassen war bar jeder

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