Infam
er das Foto von ihm und Julia am Strand gesehen hatte. »Dieses Bild hat sich entwickelt, seit Billy zum ersten Mal ein Tier gequält hat. Von da an ist das Ganze eskaliert. Einbruch. Sachbeschädigung. Brandstiftung. Mord. Wir haben das alles schon durchgekaut.«
»Das Bild passt aber nicht mit den Fingerabdrücken zusammen, die Ihr kriminaltechnisches Labor gefunden hat«, wandte Anderson ein.
»Das muss es auch nicht«, konterte O’Donnell. »Wenn man nicht gerade ein Navy-SEAL ist, kommt man nicht in ein Haus hinein und wieder heraus, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. In Anbetracht der Tatsache, dass Billy sowieso schon jahrelang alles in dem Haus angefasst hatte, war nur eines wichtig, nämlich, dass seine Fingerabdrücke auf nichts zu finden waren, das direkt mit der Untat in Verbindung stand, die er begangen hatte, während er im Haus war. Es ist ganz einfach. Er hat Handschuhe getragen. Ende der Geschichte.«
»Ich glaube nicht, dass Sie mit Ihren vorliegenden Informationen eine Verurteilung erreichen werden«, bemerkte ich. »Garret könnte die Sache am Ende sogar erleichtern. Wenn er überhaupt etwas zu erzählen hat, dann könnte es Billy möglicherweise belasten statt entlasten. Ich habe keine Ahnung.«
»Wir werden eine Verurteilung erreichen«, erklärte O’Donnell. »Billy kriegt lebenslänglich. Denken Sie an meine Worte.«
»Jeder halbwegs brauchbare Verteidiger wird sich eine eidesstattliche Erklärung von mir holen und feststellen, dass ich Zweifel an Billys Schuld habe«, sagte ich. »Die Geschworenen werden diese Zweifel zu hören bekommen. Lassen Sie mich diese Zweifel jetzt anpacken und sie aus dem Weg räumen.«
»Mark Herman ist vom Gericht als Billys Pflichtverteidiger bestellt worden«, sagte O’Donnell. »Ich bin sicher, er wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Er ist ein guter Mann. Die Bishops haben keinen eigenen Anwalt engagiert.«
Ich kannte Mark Herman nicht, doch O’Donnells Tonfall ließ die Frage in mir aufkeimen, ob Herman möglicherweise ebenfalls bei diesem abgekarteten Spiel mitmischte. Vielleicht würde er sich nicht für einen Freispruch einsetzen, sondern versuchen, Billy zu überreden, sich eines minderschweren Verbrechens schuldig zu bekennen, Totschlag zum Beispiel. Ich warf Anderson einen zynischen Blick zu. Mir war vollkommen klar, dass wir bei O’Donnell nichts erreichen würden, deshalb beschloss ich, alle Brücken hinter mir niederzubrennen. »Ich habe wirklich großes Mitleid mit Leuten wie Ihnen«, bemerkte ich.
»Tatsächlich, Doktor?«, sagte O’Donnell.
»Es ist schwer, einen Soziopathen zu erkennen, wenn er Uniform trägt«, erklärte ich. »Aber mir ist klar, dass Sie etwas Schreckliches durchgemacht haben müssen, das Sie zerstört hat. Nichts kommt von ungefähr.«
»Ich denke, unsere Besprechung ist zu Ende«, sagte O’Donnell.
»Die Frage ist nur, was dieses Etwas war«, fuhr ich ungerührt fort.
Er stand auf.
»Was war es? Was in Ihrem Leben war so schmerzvoll, dass nicht einmal Ihre Polizeimarke genügt hat, um Ihren Hass zu zügeln?«
O’Donnell marschierte aus dem Büro. »Sie finden selbst hinaus«, rief er uns über die Schulter zu.
Der Rest des Tages war so, als würden wir in einem endlosen Labyrinth gegen eine Wand nach der anderen laufen. Andersons Treffen mit Bürgermeister Keene verlief mehr oder weniger so, wie er es erwartet hatte. Keene reichte ihm einen Abzug des Fotos von ihm und Julia eng umschlungen am Strand, dann verhängte er eine dreimonatige Suspendierung ohne Gehalt wegen moralischen Fehlverhaltens im Dienst. Anschließend versuchten Anderson und ich, zum Bishop-Anwesen zu fahren, um herauszufinden, ob wir Garret vielleicht noch einmal zufällig über den Weg liefen, wurden jedoch von State-Police-Fahrzeugen abgefangen und wieder zurückgeschickt.
Ich rief Julia im Mass General an, um sie zu bitten, uns zu helfen und ein Treffen mit Garret zu arrangieren, doch sie legte auf, noch bevor ich drei Worte gesagt hatte.
Schließlich rief ich Carl Rossetti an, um mich zu erkundigen, ob er mit Julias Einwilligung eine gerichtliche Verfügung für die Vernehmung von Garret besorgen könnte. Er machte sich die Mühe, Julia im Mass General aufzusuchen und ihr schriftliches Einverständnis einzuholen, nur um dann zu erfahren, dass Darwin Bishops Anwaltsteam sich bereits eine vorsorgliche gerichtliche Verfügung beschafft hatte, die jeglichen Kontakt mit Billy oder Garret untersagte, sofern
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