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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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»Die Dynamik, die sie in eine destruktive Richtung trieb. Vielleicht hat er es ebenso wenig verstanden wie Sie.«
    »Mit anderen Worten«, erwiderte sie, »er hat nicht absichtlich mein Leben verkorkst?«
    »Vielleicht nicht.«
    Es schien ihr schwer zu fallen, das zu akzeptieren.
    »Sagen Sie irgendetwas zu ihm, wenn er Sie mit diesem verwirrten Gesichtsausdruck ansieht?«, fragte ich. »Nachdem Sie ihm die Kehle durchgeschnitten haben?«
    »Nein«, antwortete sie. »Das ist der Moment, in dem ich aufwache.«
    »Was würden Sie zu ihm sagen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Denken Sie nach«, drängte ich sanft.
    Sie lächelte, dann wanderte ihr Blick an mir vorbei ins Leere, während sie sich die Situation auszumalen schien. Schließlich sah sie wieder mich an. »Schlaf gut. Lass dich nicht von den bösen Feen holen«, sagte sie und lachte.
    Ich stimmte in ihr Lachen ein, um die angespannte Atmosphäre zu lockern. Wäre sie eine reguläre Patientin von mir gewesen, hätten ihre Worte und ihr Tonfall – diese Kombination aus Unschuld, Wut und etwas fast Sinnlichem – einen perfekten Ausgangspunkt für einen längeren Ausflug in das Terrain ihres Traumas dargestellt. Das war ein wirklich sehr gutes Zeichen. »Sie werden es schon schaffen«, sagte ich.
    »Glauben Sie das wirklich?«, fragte sie.
    »Ja.« Ich reichte ihr meine Hand, und sie schüttelte sie. »Viel Glück«, sagte ich. »Ich werde an Sie denken.«
    Billy sollte eigentlich an jenem Vormittag freigelassen werden, doch die Mühlen des Justizsystems mahlen nun einmal langsam. Er wurde weder an jenem Tag freigelassen noch am nächsten. Wir machten Witze darüber, ob er am Unabhängigkeitstag aus dem Gefängnis kommen würde, doch auch das geschah nicht. Es dauerte zehn Tage, bis alle nötigen Formulare ihren Weg von der Staatsanwaltschaft zum Gefängnis gefunden hatten. Am 10. Juli konnte ich endlich zum Bezirksgefängnis fahren und ihn in Empfang nehmen, als er durch die beiden hintereinander aufragenden Stahltore trat, die vorgaben, die Guten von den Schlechten zu trennen. Er sah nur einmal über seine Schulter zurück, während er auf mich zueilte. »Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich draußen bin«, sagte er. »Vielen Dank.«
    »Wenn du mir wirklich danken willst«, erwiderte ich, »dann teile deine Sorgen mit mir.«
    »Sorgen worüber?«, fragte er.
    »Über dich. Das Stehlen, die Tierquälerei, die Brandstiftung – das kann so nicht weitergehen.«
    »Das ist alles Vergangenheit«, versicherte er. »Ich baue keinen Mist mehr.«
    »Die Vergangenheit ist die Zukunft, solange du davor wegläufst«, erklärte ich. »Der Verlust deiner Eltern, Russland, das Leben mit Darwin – jede Abkürzung, die du nimmst, um dich diesen Dingen nicht stellen zu müssen, führt auf direktem Weg wieder hierher zurück, das verspreche ich dir. Ich habe das schon oft gesehen. Zu oft. Bei Kindern, die einen ebenso guten Kern hatten wie du.«
    Dieser letzte Satz ließ ihn strahlen. »Werden Sie mir helfen?«, fragte er.
    »Das werde ich, wenn du es möchtest«, antwortete ich.
    »Ich möchte es wirklich«, versicherte er.
    Die Behandlung eines Soziopathen ist bedeutend schwieriger als die eines Patienten mit Depressionen oder gar Psychosen. Das Problem mit Soziopathen ist, dass sie nicht von ihrer Krankheit überzeugt sind.
Alle anderen
sind das Problem. Wenn die Welt sie doch nur in Ruhe lassen und ihnen geben würde, was ihnen zusteht, dann wäre alles wunderbar. »Wir werden es versuchen«, erklärte ich.
    Er streckte seine Hand aus. Ich schlug ein. »Und wo geht’s jetzt hin?«, fragte er.
    Die Art, wie Billy die Frage stellte, verriet mir, dass er mein Versprechen, ihn bei mir wohnen zu lassen, nicht vergessen hatte. Ich erinnerte mich ebenfalls daran. Es war nicht schwer, dieses Versprechen einzulösen, zumindest vorübergehend, da ich im Augenblick mit Julia und Garret im Haus von Julias Mutter auf Martha’s Vineyard wohnte. Julia war drei Tage zuvor aus dem Mass General entlassen worden und war noch immer etwas angeschlagen, sowohl physisch als auch emotional. »Wir fahren zu deiner Großmutter nach Martha’s Vineyard«, sagte ich. »Ich wohne im Moment im Gästehaus, während die Dinge wieder ins Lot kommen.«
    »Dann können wir also zusammen sein, wie Sie gesagt haben«, sagte er erfreut.
    »Es spricht nichts dagegen.«
    »Ist Garret auch dort?«
    »Er hat den Großteil seiner Sachen schon geholt«, erklärte ich.
    Billy sah über

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