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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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der über dem Horizont schwebte.
    Julia war nirgends zu sehen.
    »Wo bist du?«
    Keine Antwort.
    Niedrige Hügel erstreckten sich über eine Viertelmeile vor mir. Julia konnte praktisch überall in dem wogenden Gras liegen. Ich trat von den Klippen zurück und suchte den Boden mit den Augen nach Fußabdrücken ab. Ich war noch nicht weit gekommen, als ich ein kleines Gehölz aus hohen, blühenden Paprikasträuchern erspähte, die etwa zehn, zwölf Meter von mir entfernt aufragten. Ein gerade noch erkennbarer Trampelpfad führte durch das wild wuchernde Gras zu dem Gehölz. Irgendetwas sagte mir, dass sie sich darin versteckt hatte, also ging ich auf die Büsche zu. Als ich auf wenige Meter herangekommen war, hörte ich ein Kichern aus dem Gebüsch. Langsam ging ich ein paar Schritte weiter, wobei ich vorsichtig die dicht belaubten Zweige auseinander schob. Dann blieb ich stehen und starrte sie an.
    Julia lag auf einem Bett aus ihren Kleidern, nackt, die Knie angewinkelt und gegeneinander gelehnt. Sie mutete wie eine Meerjungfrau in einem verborgenen Garten an, die sich zwischen Ebbe und Flut ausruhte. Ihr seidiges schwarzes Haar flatterte in der sanften Brise, die die Äste um sie herum rascheln ließ. Sie lächelte mich schüchtern an und spreizte langsam die Beine. »Möchtest du nicht reinkommen?«
    Kurz nach 22 Uhr kehrten wir zum Haus zurück, wo wir auf Garrets Leibwächter, Pete Magill, stießen, der durch den Vorgarten schlenderte. Wir grüßten ihn, dann gingen wir hinein.
    Candace saß auf der abgewetzten Ledercouch im Wohnzimmer und las eine Zeitschrift. In einer beleuchteten Vitrine neben ihr stand eine Auswahl der Spielsachen ihrer Kinder. Eine Original-Barbie, ein GI-Joe, ein Rennwagen aus Metall, eine Zündplättchenpistole. Candace sah auf, als wir hereinkamen. »Habt ihr beiden euch amüsiert?«, fragte sie.
    »Ich schon«, antwortete Julia. »Und ich glaube, er auch.« Sie lachte.
    »Das haben wir«, versicherte ich.
    »Wie geht es Tess?«, erkundigte sich Julia.
    »Sie schläft«, erklärte Candace. »Sie war ganz lieb.«
    »Sind die Jungs zu Hause?«, fragte Julia.
    »Garret, ja«, antwortete Candace. »Billy ist mit einem Jungen, den er letzte Woche am Strand kennen gelernt hat, im Kino. Jason …«
    »Sanderson«, sagte ich. »Macht einen recht netten Eindruck.«
    »Er könnte Billys erster richtiger Freund werden«, bemerkte Julia und lächelte glücklich. »Billy beginnt ein neues Leben. Wir müssen den richtigen Doktor im Haus haben.«
    »Das hoffe ich.«
    »Ich sehe kurz nach Tess, dann gehe ich ins Bett«, verkündete Julia, gab mir einen Kuss auf die Wange und wandte sich zu ihrer Mutter um. »Warum unterhaltet ihr beide euch nicht ein bisschen. Das tut ihr nie.«
    Candace sah mich an. »Ich wusste gar nicht, dass sie uns beobachtet, Frank.«
    Ich zwinkerte ihr zu.
    »Vielleicht tun wir das ja tatsächlich«, sagte Candace zu Julia.
    Ich sah Julia hinterher, während sie nach oben ging, dann setzte ich mich in einen gemütlichen alten Ledersessel schräg neben der Couch.
    »Sie hat eine Menge durchgemacht«, bemerkte ich.
    »Unter all der Schönheit ist sie sehr zäh«, erwiderte Candace in ihrem gewählten, doch freundlichen Tonfall. Die pergamentdünne Haut ihrer schmalen Hände ließ die darunter verlaufenden blauen Venen durchscheinen. »Sie hatte keine leichte Kindheit, müssen Sie wissen.«
    »Sie hat mir ein wenig von Ihrem Mann erzählt«, sagte ich.
    »Das war schrecklich«, erklärte Candace. »Absolut schrecklich.«
    Julia hatte mir erzählt, dass sie mit ihren Brüdern um die Aufmerksamkeit ihres Vaters konkurrieren musste, aber nicht sehr erfolgreich dabei gewesen war, ihn für sich zu gewinnen, was jedoch nicht gerade nach einer Katastrophe klang. »Was war Ihrer Meinung nach das Schlimmste daran?«, fragte ich vorsichtig.
    »Dass er sie ignoriert hat«, antwortete Candace.
    Ich nickte schweigend, in der Hoffnung, dass sie fortfahren würde.
    Sie brauchte keinerlei Aufforderung. Vielleicht hatte sie sich diese Unterhaltung ja herbeigewünscht. »Wenn Julia auch nur das Geringste getan hat, das ihm missfallen hat, dann hat er nicht mehr mit ihr geredet. Er hat sie nicht einmal mehr angesehen, so als würde sie nicht existieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Den Jungs gegenüber war er nicht so. Nie.«
    Ich schaute zu der Vitrine hinüber. Ein Blechkarussell mit handbemalten Pferden fiel mir ins Auge, daneben saß eine kleine Porzellanpuppe mit lebensechten blauen

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