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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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gewartet, bis er am Ende des Flurs war, dann bin ich aus meinem Zimmer geschlichen und ihm nachgegangen.«
    »Und?«
    Garret schloss die Augen. »Ich habe gesehen, wie er die Tube genommen hat und …«
    »Was hat er mit der Tube gemacht?«, fragte McCarthy.
    »Er hat Dichtungsmasse in Brookes Nase gespritzt. Erst ins eine Nasenloch, dann in das andere«, erklärte Garret. »Dann in ihren Hals.« Er öffnete die Augen, in denen Tränen glitzerten.
    Es war das erste Mal, dass ich Garret weinen sah. Und zum ersten Mal ließ er sein Alter erkennen. Er sah aus wie ein unbeholfener Teenager, der unter den schrecklichsten Umständen krampfhaft versuchte, ein Mann zu sein.
    »Was ist dann passiert?«, hakte McCarthy ungerührt nach.
    »Ich bin wieder in mein Zimmer gegangen«, antwortete Garret und wischte sich die Tränen von seiner Wange.
    »Und du hast das bis heute niemandem erzählt?«, sagte McCarthy.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich Angst hatte«, erklärte Garret.
    »Wovor?«
    »Darwin.«
    »Warum?«
    »Weil ich gesehen habe, wie er meinen Bruder Billy fast bewusstlos geprügelt hat«, antwortete Garret. »Weil er mir mehr als einmal gedroht hat, er würde mich umbringen, wenn ich ihm nicht gehorche – ganz zu schweigen davon … ihn zu verraten.«
    »Und wie kommt es dann, dass du jetzt dein Schweigen brichst?«, wollte McCarthy wissen.
    Garret schluckte und holte tief Luft. »Ich habe gesehen, was er meiner Mutter angetan hat«, sagte er, und seine Unterlippe fing erneut an zu zucken. »Wenn ich den Mumm gehabt hätte, ihn früher aufzuhalten, dann wäre das nicht passiert. Ich werde nicht warten, bis sie tot ist, bevor ich endlich das Richtige tue.«
    Garret verließ das Vernehmungszimmer mit einer Polizeieskorte. Es war vereinbart worden, dass er über Nacht in Boston bleiben und dann nach Nantucket zurückfahren würde.
    O’Donnell ergriff als Erster das Wort. »Chief Anderson«, sagte er, »auf der Grundlage dessen, was ich gerade gehört habe, in Verbindung mit den Fingerabdrücken, die Sie gefunden haben, und anderen Indizienbeweisen in diesem Fall beabsichtige ich, Darwin Bishop unter Anklage wegen Mordes an seiner Tochter Brooke und des versuchten Mordes an seiner Tochter Tess zu stellen.« Er sah zu Tom Harrigan. »Ich vermute, die Staatsanwaltschaft wird die Anklagejury auffordern, das offizielle Verfahren gegen Mr. Bishop hinsichtlich dieser Verbrechen zu eröffnen, neben dem zum versuchten Mord an seiner Frau Julia heute.«
    »Wir werden uns umgehend an die Anklagejury wenden, sobald sie zusammentreten kann«, erklärte Harrigan.
    »Ich hoffe, wir können Billy Bishops Freilassung innerhalb desselben Zeitraums veranlassen«, bemerkte Carl Rossetti.
    »Wir lassen die Anklagen gegen ihn so schnell wie möglich fallen«, versicherte Harrigan.
    »Und wann genau wäre das?«, fragte Rossetti ausdruckslos.
    »Ich werde mich morgen früh persönlich darum kümmern«, versprach Harrigan.
    Terry McCarthy sah zu Anderson und mir. »Das bedeutet, dass Billy morgen früh freigelassen wird«, sagte er. »Holt ihr beide ihn?«
    Anderson wandte sich an mich. »Macht es dir etwas aus, wenn du das übernimmst, Frank?«, fragte er augenzwinkernd. »Ich sollte lieber wieder auf die Insel zurückfahren.«
    »Es macht mir nichts aus«, versicherte ich. »Nicht das Geringste.«

20
    Sonntag, 30. Juni 2002
    Obwohl es bereits nach Mitternacht war, fuhr ich nicht nach Hause, sondern zum Bezirksgefängnis.
    Zum Glück hatten abermals Andersons Freunde die Nachtschicht. Tony Glass, ein hoch aufgeschossener Mann von etwa fünfunddreißig mit einer dicken Brille, tat am Eingangstresen Dienst. Er fragte mich, ob ich für einen weiteren Besuch bei Billy gekommen wäre.
    »Nein«, erklärte ich. »Ich möchte Darwin Bishop sprechen.«
    »Schon seltsam, was?«, bemerkte Glass. »Vater und Sohn zur selben Zeit im selben Gefängnis?«
    »Nicht für lange«, sagte ich. »Billy wird morgen Vormittag entlassen.«
    »Gut. Er scheint ein netter Bursche zu sein«, sagte Glass. »Einige von den Wärtern sagen das. Sie mögen ihn.«
    Ich lächelte. Billy mochte ein netter Bursche sein, doch zugleich war er destruktiv und manipulierend. Das hatte ich nicht vergessen. »Er kann sehr charmant sein«, pflichtete ich bei.
    »Sein Vater ist in Schutzhaft«, erklärte Glass. »Er hat sich mit einem anderen Insassen angelegt und ein wenig Prügel eingesteckt. Sie werden ihn unten im Zellentrakt besuchen müssen, wenn’s Ihnen nichts

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